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Fey 05: Der Schattenrpinz

Fey 05: Der Schattenrpinz

Titel: Fey 05: Der Schattenrpinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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Marmorintarsien des Beckens und färbte sie grau. Kein Vogel saß im Baum, kein Vogel flog durch die Luft, und offensichtlich war auch in den letzten Minuten keiner am Becken gewesen.
    Arianna lehnte sich zurück und rieb den Handrücken mit dem Ärmel des Morgenmantels sauber, behielt dabei jedoch den Garten im Auge. Ein Zweig raschelte, aber sie zwang sich, sich nicht umzudrehen. Statt dessen beobachtete sie den Garten unauffällig, scheinbar immer noch so intensiv mit ihrer Säuberung beschäftigt, als hätte sie ihre Katzengestalt angenommen. Einen Augenblick später wurde ihre Geduld belohnt.
    Ein Mann trat an der Vogeltränke zwischen den Bäumen hervor. Eigentlich war es kein Mann, eher ein Junge.
    Ein Jüngling.
    Es war ihr Bruder, Sebastian.
    Jetzt drehte sie sich um. Sebastian sollte doch in seinem Zimmer sein und sich für die Mündigkeitszeremonie umkleiden. Er brauchte immer eine halbe Ewigkeit zum Anziehen, weil er darauf bestand, es selbst zu tun.
    Arianna stützte sich auf die Kissen und beugte sich aus dem Fenster. »Sebastian!« rief sie. »Du solltest doch drinnen sein!«
    Der Junge blickte auf, und ihr stockte der Atem. Zum ersten Mal in seinem Leben schimmerte in Sebastians Augen eine wache Intelligenz. Augen, die blauen, leuchtenden Seen glichen. Das war noch merkwürdiger. Sebastians Augen hatten nie zuvor blau ausgesehen. Sie waren steingrau.
    Sein dunkles, wie immer zerzaustes Haar bedeckte die leicht spitz zulaufenden Ohren. Das fremdartige Aussehen seines Gesichts – die dunkle Haut, die geschwungenen Augenbrauen, die zierliche Nase – harmonierte erstaunlich gut mit den weichen Zügen, die der von seinem Vater geerbte Knochenbau seinem Gesicht verlieh. Zum ersten Mal in seinem Leben wirkte Sebastian vollständig, ganz, nicht wie ein Wesen, das aus schlecht zusammenpassenden Lehmbrocken geformt war.
    Aus seiner Kehle drang ein leiser Schreckenslaut, ein Geräusch, das in der Stille des Gartens widerhallte und in den Wipfeln der Bäume verklang.
    »Sebastian!« rief Arianna noch einmal, aber er kam nicht wie sonst auf sie zugelaufen. Da stimmte etwas nicht. Aber ihre innere Stimme warnte sie, daß er wieder verschwinden würde, wenn sie jetzt die Stufen hinunter und durch die Säle in den Garten rannte.
    Also schlüpfte sie aus ihrem Morgenmantel und Verwandelte sich. Ihre Knochen zogen sich zusammen und verloren an Gewicht. Ihre Arme streckten sich, die Finger krümmten sich zu kurzen Krallen, und überall aus ihrer Haut sprossen Federn. Ihr Mund verbog sich zu einem Schnabel, und ihr Blickwinkel änderte sich, als ihre Augen sich an die Seiten des Kopfes schoben.
    Sie hatte ihre Rotkehlchengestalt angenommen, eine jener zwei Dutzend Gestalten, von denen sie Solanda nie erzählt hatte. Gewöhnlich verfügten Gestaltwandler nur über eine einzige andere Gestalt – Solanda zum Beispiel konnte sich nur in eine kleine, getigerte Katze verwandeln –, aber Ariannas Wandlungsfähigkeit war bis jetzt an keine Grenze gestoßen. Sie konnte sich in alles Verwandeln, was sie wollte, wenn sie es vorher übte. Mit ihrer Rotkehlchengestalt hatte sie seit dem Alter von sechs Jahren gespielt.
    Die Verwandlung dauerte kaum einen Herzschlag. Dann hüpfte Arianna aufs Fensterbrett und flog los. Die Luftströmungen fuhren ihr unter das Federkleid, und sie spürte den warmen Kuß der Freiheit. Sie wollte sich mit dem Wind erheben und die Stadt Jahn erforschen, nach Futter und anderen Vögeln suchen, aber sie unterdrückte diese Instinkte und landete statt dessen auf dem Rand der Vogeltränke.
    Sie hob den Kopf und musterte forschend die Baumwipfel. Die langen, kühlen Schatten verbargen nichts. Sie sah nur glatte Stämme, geneigte Zweige, sorgsam gepflegten Rasen.
    Sebastian war eigentlich nicht schnell genug, um sich vor ihr zu verstecken.
    Wirklich nicht?
    »Sebastian!« rief sie noch einmal. »Wenn du nicht angezogen bist, wenn Papa dich abholen kommt, wird er wütend.«
    Keine Antwort. Das seltsame Gefühl veranlaßte sie dazu, die Flügel zu spreizen und wieder anzulegen. Sebastian hatte ihr sonst immer geantwortet, und er haßte es, ihren Vater zu verärgern. Normalerweise wäre er bereits beim Klang ihrer Stimme aufgetaucht.
    »Sebastian!«
    Verdutzt machte sie einen kleinen Hüpfer und hätte fast das Gleichgewicht verloren. Rasch streckte sie ihr dünnes Bein aus, um sich abzustützen, und schwankte einen Augenblick über der Wasserfläche, bevor ihr einfiel, daß sie ja Flügel hatte. Sie breitete

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