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Fey 06: Die Erben der Macht

Fey 06: Die Erben der Macht

Titel: Fey 06: Die Erben der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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einen Augenblick Zeit, bis ihn seine innere Ruhe wie kühles Wasser durchströmte. Dann schlug er die Plane zwischen den beiden Zelten zurück und betrat das erste Zelt.
    Abgesehen von einem großen, hölzernen Tisch in der Mitte war es genauso eingerichtet wie das zweite Zelt. Er hatte drei alte, von vielen Schlachten gezeichnete Tische mitgebracht, um sie in jedem Schattenland aufzustellen. Er benutzte sie, seit er die Nachfolge als Schwarzer König angetreten hatte; an ihnen hatte er seine Strategien entworfen, seine Befehle geschrieben, sein Handwerk als Staatsmann erlernt. Die Tische hatten ihm stets gute Dienste geleistet.
    Dieser hier war der älteste. Das Holz stammte aus L’Nacin, die Kerben aus vielen Schlachten in Nye. Rugar und Jewel hatten ihre Namen in die Oberfläche geschnitzt, ebenso wie seine anderen Kinder und Enkel. Manchmal blickte er nachdenklich auf die Unterschriften und fragte sich, welchen Preis er zahlte, um über die Fey zu herrschen.
    Wie auf ein Stichwort erhob sich ein neuerliches Heulen und hallte über das ganze Lager. Zwar dämpften die Zeltwände das Geräusch, aber es war trotzdem noch gut zu vernehmen.
    Der zweite Fey im Zelt zuckte zusammen. Seine Kleider waren ihm zu klein. Er schien etwa Mitte Dreißig zu sein, aber seine Augen machten einen viel älteren Eindruck. Sie waren goldgefleckt.
    »Geist?« fragte Rugad, eher um sich der Gegenwart des Doppelgängers als dessen Identität zu versichern.
    Ghost nickte und leckte sich die Lippen. Dann erhob er sich. »Ich habe einen der Hüter übernommen«, sagte er mit zitternder Stimme. Er hielt den Blick gesenkt, und Rugad spürte, welche Scham den Doppelgänger erfüllte. Der Tod eines Fey, mochte es sich auch um eine Versagerin handeln, kam alle hart an, die es hörten oder sahen.
    »Das setze ich voraus«, sagte Rugad. »Du solltest das Schattenland jetzt verlassen. Ich bin sicher, daß du dich anderweitig nützlich machen kannst.«
    »Ich wollte zuerst mit dir sprechen«, sagte Ghost und trat einen Schritt vor. Es war unübersehbar, daß er sich erst noch an den neuen Körper gewöhnen mußte. »Dieser Hüter hat ein Gegengift für das Weihwasser entdeckt.«
    »Ohne es zu benutzen?«
    »Dazu hätte es eines Zauberers bedurft.«
    »Ach so.« Rugad seufzte. Er hatte den Zauberern damals verboten, Rugar zu begleiten. Ohne diesen Erlaß wäre es ihnen also doch gelungen, die Insel zu erobern. Hatte Ghost deswegen um dieses Gespräch gebeten? Weil er wußte, daß Rugad auch Schuld am Tod seines eigenen Sohnes traf?
    »Das ist noch nicht alles«, fuhr Ghost fort. »Sie haben einen Zauberer gefunden.«
    Rugad blickte ihn an. Geists Augen leuchteten dunkel im Gesicht seines Opfers. »Wen?« fragte Rugad und hoffte, daß es sich dabei nicht um einen seiner Urenkel handelte.
    »Er war ein Kind der Insel.«
    Rugad nickte. Das war einleuchtend. Die Mischung von Fey-Blut mit dem der Inselbewohner hatte einen mächtigen Visionär und eine mächtige Gestaltwandlerin hervorgebracht. Warum sollte nicht auch ein Zauberer einer solchen Verbindung entspringen? »Zu welchem Zeitpunkt nach der Invasion geboren?«
    »Er kam vorher zur Welt.«
    Rugad blinzelte überrascht. Er hatte damit gerechnet, daß Ghost antwortete, viele Jahre nach der Invasion, das Kind sei noch zu jung, um sich seiner Zauberkraft zu bedienen, die Fey würden die rechte Zeit noch abwarten. Aber diese Antwort ergab keinen Sinn. »In dieser Armee gab es keine Säuglinge.«
    »Das weiß ich. Das Kind ist ein Inselbewohner«, sagte Ghost so exakt, als wiederholte er seine eigenen Worte.
    »Reines Inselblut?«
    »Klein, blauäugig, rundes Gesicht, blondes Haar, wenige Monate vor der ersten Invasion geboren. Solanda hat ihn damals gefunden.«
    Solanda. Unwillkürlich blickte Rugad in Richtung des Gefängniszeltes. Also hatte sie ihm doch nicht alles gesagt. Warum nur? Er hatte beinahe das Gefühl, es wäre besser, ihre Exekution aufzuhalten.
    Aber dazu war es jetzt zu spät.
    »Wann?«
    »Vor neunzehn Jahren.«
    Also war der Zauberer jetzt ein erwachsener Mann. »Was ist mit ihm geschehen?« fragte Rugad.
    »Er lebte viele Jahre im Schattenland, bevor man feststellte, was er war. Dann näherte man sich ihm so ungeschickt, daß er entsetzt floh. Er entkam zusammen mit einem anderen gefangenen Inselbewohner aus dem Schattenland, und obwohl die Versager ihn suchten, haben sie ihn nie entdeckt.«
    »Wie heißt er?«
    »Coulter.«
    Während er sprach, hatte Ghost den Blick nicht ein

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