Fey 06: Die Erben der Macht
ein halber Ruhetag zugestanden worden, bevor er wieder nach Norden aufbrechen sollte.
Und jetzt hatten sie ihn nach Süden geschickt. Rugad glaubte, daß sich einer seiner Urenkel dort auf einem der Gehöfte aufhielt. Wirbler wollte lieber gar nicht daran denken, wieviel Ackerland er bis jetzt schon überflogen hatte. In der Mitte der Insel dehnte es sich schier unendlich.
Aber er hatte den anderen Irrlichtfängern, die sich ebenfalls auf der Suche befanden, etwas voraus. Er hatte den Urenkel bereits gesehen und wußte, welchen Weg er eingeschlagen hatte. Der Hof konnte nicht allzuweit von der Straße entfernt sein, wenn man bedachte, wieviel Zeit vergangen war.
Wirbler stieß herab. Seit man ihm seine Anweisungen erteilt hatte, war er zügig vorangekommen, hatte Jahn umkreist, den Fluß hinter sich gelassen und war quer über die Ländereien der Adligen südlich des Cardidas weitergeflogen. Schneller als die anderen hatte er das Ackerland erreicht.
Wirblers Begleiterin, Cinder, hatte Mühe, bei seinem Tempo mitzuhalten. Bis jetzt war sie nur im Gefolge einer Truppe von Irrlichtfängern quer über die Blaue Insel geflogen. Dies war ihr erster freier Flug.
Sie waren gleich alt, aber Wirbler war in den Rängen der Fey aufgestiegen, bis er schließlich sogar als Rugads Bote eingesetzt wurde. Cinder hatte man bis jetzt nur kleinere Aufträge zugeteilt, und sie hatte Wirbler gestanden, daß sie vergeblich versucht hatte, ihre Teilnahme an der Reise zur Blauen Insel zu verhindern. Sie wäre viel lieber in Nye geblieben. Rugad aber hatte sämtliche Irrlichtfänger, Tierreiter und Doppelgänger benötigt und keinen davon in Nye zurückgelassen.
Auf dieser Reise wollte Rugad nichts dem Zufall überlassen. Man hatte beinahe den Eindruck, er fürchte sich vor der Blauen Insel, ohne es zugeben zu wollen.
Endlich erblickten sie unter sich die Straße, breit und braun wie ein vereister Fluß. Wirbler schwang sich hinab, bis er direkt darüber flog, und warf dann auf der Suche nach Cinder einen Blick über die Schulter. Sie war so weit hinter ihm zurückgeblieben, daß er lange suchen mußte, bis er ihren kleinen schwarzen Punkt im Himmelsblau ausmachte. Genau wie er erwartet hatte, konnte sie ihm nur mit Mühe folgen. Er unterdrückte eine leichte Gereiztheit. Epo, der Führer der Irrlichtfänger, hatte darauf bestanden, daß sie zu zweit ausschwärmten. Sollten sie den Urenkel entdecken, würde einer von ihnen bei dem Jungen bleiben, während der andere so schnell wie möglich Bericht erstattete. Epo hatte bei der Aufteilung darauf geachtet, daß ein stärkerer Irrlichtfänger mit einem schwächeren flog, was Wirbler verärgerte. Er würde bei dem Urenkel bleiben müssen und konnte nur hoffen, daß Cinder in Rekordgeschwindigkeit zu Rugad flog, um ihm die Nachricht zu übermitteln.
Das würde sie natürlich nicht schaffen, aber daran konnte Wirbler nichts ändern.
Unter ihm säumten Bauernhöfe die Straße wie kleine schwarze Punkte auf einer Flickendecke. Wirbler ließ sich noch tiefer fallen und fluchte plötzlich leise vor sich hin.
Es war Mittag. Alle Inselbewohner arbeiteten auf dem Feld. Auf jedem Bauernhof sah er drei, vier, manchmal sogar fünf Menschen, die sich über die Ernte beugten. Einige unter ihnen hatten auch Pferde, mit denen sie Geräte oder Wasserbehälter von den Wasserpumpen auf den Acker transportierten.
Hatte der Urenkel ein Schattenland errichtet, würde es bei diesem Licht nicht einfach sein, den Torkreis zu erkennen. So wie auch Wirbler nur schwer zu erkennen war.
Es würde länger dauern, als er geglaubt hatte.
Er flatterte auf der Stelle und wartete auf Cinder. Als sie ihn erreicht hatte, schwirrten ihre Flügel wie die eines Kolibris, und Schweißtropfen perlten über ihr Gesicht. Sie atmete schwer.
»Ist es wirklich nötig, so schnell zu fliegen?« keuchte sie.
»Sobald wir ihn entdeckt haben, müssen wir noch schneller fliegen«, gab Wirbler zurück.
»Hier können wir ihn unmöglich finden.« Sie zeigte mit einem winzigen Arm auf das Panorama zu ihren Füßen. Felder, Höfe, Inselbewohner, so weit das Auge reichte. Sie hatte recht. Es war jede Menge Arbeit.
»Wir werden ihn finden«, sagte Wirbler zuversichtlich. Ihre pessimistische Einstellung ärgerte ihn. Es war, als haßte sie es, für den Schwarzen König zu arbeiten, als haßte sie ihr ganzes Leben. Wirbler hingegen war stolz, zur Truppe des Schwarzen Königs zu gehören. »Er ist zu einem Teil Fey. Ich habe ihn gesehen. Er
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