Fey 06: Die Erben der Macht
ich je begegnet bin.«
»Und Gabe hat nichts davon geerbt?«
»Gabe ist kein ebenbürtiger Gegner für Rugad. Ebensowenig wie ich. Ich bezweifle, daß es irgend jemanden auf der Insel gibt, der es mit ihm aufnehmen kann.«
»Aber er kann Gabe nicht töten.«
»Nein, das ist unmöglich«, bestätigte Coulter. »Ich fürchte jedoch, daß er weitaus Schlimmeres im Schilde führt.«
Die Worte hingen zwischen ihnen. Adrian schluckte. Er hatte schon einmal mit angesehen, was die Fey ihren eigenen Leuten antaten. Fledderer hatte ihm gezeigt, wie die Fey alle behandelten, die sie als minderwertig ansahen. Und Adrian hatte auch subtilere Methoden erlebt, mit deren Hilfe sich die Fey gegenseitig in Schach hielten.
Er konnte sich nicht vorstellen, wie man so etwas aus dem Inneren, aus dem Geist heraus bewirkte.
»Also hat er einen Fehler begangen, als er die Verbindung zu dir geschlossen hat.«
Coulter schüttelte traurig den Kopf. »Nein, er hatte recht. Jede Verbindung zu ihm ist jetzt gefährlich. Ich hatte einfach nicht die Kraft, diese eine zu schließen.«
»Er ist ganz auf sich gestellt«, sagte Adrian. »Mehr als je zuvor.«
Coulter blickte über das Maisfeld hinweg. »Ich weiß.«
»Er braucht Schutz. Leen allein genügt nicht.«
Coulter sah Adrian an. Seine Augen waren von Traurigkeit wie verschleiert, seine Schultern schlaff, weil Gabes Schutz ihn soviel Energie gekostet hatte. »Was willst du damit sagen?«
»Daß wir ihm folgen sollten. Er braucht dich jetzt mehr denn je, Coulter.«
Coulter seufzte. »Er wird mich nicht akzeptieren.«
»Er hat doch gar keine Wahl.«
Coulter strich sich das Haar aus dem Gesicht. Seit Jahren hatte Adrian ihn nicht mehr so unentschlossen gesehen. Trotz all seiner Macht war er sehr verwundbar. Zurückweisung verletzte ihn mehr als andere, wahrscheinlich, weil er sie schon so oft in seinem kurzen Leben erlebt hatte.
»Du mußt nicht mitkommen«, sagte Coulter.
»Ich komme aber mit«, antwortete Adrian. »Schließlich muß auch jemand auf dich aufpassen.«
»Ich bin jetzt erwachsen, Adrian. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
Adrian unterdrückte ein liebevolles Lächeln. Coulter war erwachsen, aber das bedeutete nicht, daß er alles allein bewältigte. Das wußte Adrian, selbst wenn Coulter es nicht wahrhaben wollte. Und er hatte sich auch schon überlegt, wie er Coulter dazu bringen würde, ihn mitzunehmen.
»Ich weiß«, sagte Adrian. »Aber die Fey werden hier auftauchen und nach Gabe suchen. Und wenn sie ihn nicht finden, werden sie nach mir, Luke und Fledderer Ausschau halten. Das könnte ich nicht noch einmal ertragen. Ich möchte lieber, daß du in Sicherheit bist.«
Coulter lächelte. Ein halbherziges, etwas zerstreutes Lächeln, aber immerhin. »Du warst noch nie besonders gut darin, andere zu manipulieren.«
»Stimmt«, sagte Adrian.
»Du weißt, was das bedeutet: Du mußt direkt zu den Fey gehen.«
»Ich weiß«, bestätigte Adrian.
»Dort lauern noch viel größere Gefahren auf dich«, sagte Coulter.
»Und auf dich«, entgegnete Adrian.
»Du läßt mich ja doch nicht allein gehen, stimmt’s?« fragte Coulter.
»Nein«, erwiderte Adrian.
Coulter holte tief Luft, als könnte er sich so gegen alles wappnen, was ihn in den nächsten Tagen erwartete. »Na gut«, sagte er. »Laß uns alles zusammensuchen, was wir brauchen. Ich glaube, bis zum Eintreffen der Fey bleibt nicht mehr viel Zeit.«
Adrian teilte seine Befürchtungen. Er warf einen letzten Blick auf sein Land, seinen Hof, den er seit seiner Jugend bewirtschaftete, den Mais, der sich der Sonne entgegenreckte, die Gebäude, die sein Großvater selbst erbaut hatte. Er hoffte, das alles eines Tages wiederzusehen.
Er bezweifelte es jedoch.
Dennoch war er gerne bereit, diesen Preis zu zahlen, solange Coulter im Ausgleich dafür in Sicherheit war.
20
Solanda schritt erregt im Zelt auf und ab. Sie empfand es als besonders klein und beengend.
Gefangen.
Wie demütigend.
Und welch ein Irrtum!
Aber sie konnte nichts daran ändern. Sie befand sich in Rugads Schattenland und wurde von seinen Leuten bewacht. Sie war mitten unter Fey, und wenn sie sich Verwandelte und in ihrer Katzengestalt durch das Lager lief, wüßte jeder sofort Bescheid.
Wer und was sie war.
Außerdem war der Zelteingang verzaubert, und sie hatte keine Zeit, sich unter der Plane hindurchzuschlängeln.
Die Luft war verbraucht und roch nach Rugads Lederkleidung. Ihr Treffen war ungünstig verlaufen. Er hatte ihr
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