Fey 07: Die Augen des Roca
deren Verbindung ein Dreieck entsteht. Wenn man zwei von ihnen entdeckt hat, kann man auch den dritten feststellen.«
»Genau«, bestätigte die Schamanin und ging vorsichtig um einen Felsbrocken herum, der mitten auf dem Pfad lag. »Und noch mehr als das. Es ist Teil des Vermächtnisses der Fey. Entscheidend ist das Wort ›Verbinden‹.«
»Darüber hat sich Sebastian doch so aufgeregt, nicht wahr«, wandte sich Nicholas an Arianna. »Er sagte, er habe seine Verbindung zu Gabe verloren.«
»Er sagte, sie sei zerbrochen«, setzte Arianna leise hinzu.
»Wir alle sind Verbunden«, erläuterte die Schamanin. »Du, Nicholas, bist mit Arianna Verbunden. Wenn ich will, kann ich diese Verbindung Sehen. Sie vibriert zwischen euch wie ein vielfarbiges Band. Visionäre können Verbindungen nicht nur Sehen, sie können auch entlang dieser Verbindungen reisen. Wenn ich eine Möglichkeit fände, in deine Verbindung einzudringen, könnte ich von dir zu Arianna reisen.«
Nicholas nickte. Das hatte er schon immer geahnt, nur nicht verstanden. Die Schamanin konnte die Fähigkeiten der Fey gut erklären. Was das betraf, hatte Nicholas sich schon mehr als einmal auf sie verlassen können.
»In die Verbindung einzudringen, das ist der Schlüssel. Das ist schwieriger, als es klingt«, fuhr die Schamanin fort. »Nur weil ich eure Verbindung Sehe, kann ich mich ihrer noch nicht bedienen. Ich brauche einen Eingang, einen Weg, zu euch durchzudringen.«
Wieder lag ihnen ein Felsbrocken im Weg. Nicholas machte einen Bogen um ihn. Er streckte die Hand aus und schürfte sich das Schienbein an einem anderen Felsen, den er nicht gesehen hatte. Immer noch war es stockdunkel. Die Morgendämmerung war eine bloße Sinnestäuschung. Nicholas fragte sich, wie lange diese Nacht wohl noch dauern würde.
»Mit diesen Verbindungen beschäftigt sich die Überlieferung?« nahm er den Faden wieder auf.
»Ja«, erwiderte die Schamanin. »Nach ihnen suchen die Visionäre, und das ist auch der Grund, warum sich am ursprünglichen Ort der Macht immer ein Schamane der Fey aufhält. Wird einmal der zweite Ort der Macht gefunden, planen die Fey, den Schamanen am ersten Ort mit einem Schamanen am zweiten Ort zu Verbinden. Nach der Entdeckung des dritten Ortes werden sich alle drei Schamanen Verbinden, und damit entsteht die Dreieinigkeit der Kraft.«
»Und was ist das?« fragte Arianna. Sie klang ganz ruhig, als ginge sie das alles nichts an. Vielleicht hatte sie recht. Aber Nicholas ging es etwas an. Kein Wunder, daß die Schamanin den Schwarzen König aus dem Weg räumen wollte. Sollten die Fey noch mächtiger und beherrschender werden, als sie schon waren, wäre es für die ganze Welt besser, wenn sie ihren Blutdurst bezähmten und statt dessen Mitgefühl empfinden könnten.
»Wir wissen nichts über die Dreieinigkeit, Kind«, entgegnete die Schamanin. »Wir wissen nur, daß diese Dinge ihren Namen für gewöhnlich zu Recht tragen. Orte der Macht sind eben solche. Und ›Kraft‹ ist ein ziemlich umfassender Begriff.«
Nicholas überlief ein Schauder. Er hielt sich an einem Baum fest, als der Pfad einen scharfen Knick nach links machte und wieder steil abwärts führte. Wie sehr wünschte er sich, daß die nächtliche Dunkelheit sich wenigstens ein kleines bißchen erhellte.
»Tut mir leid«, sagte er. »Ich kann nicht glauben, daß die Schwarze Familie es den Schamanen überläßt, die Dreieinigkeit der Kraft zu kontrollieren.«
Die Schamanin blickte ihn an. Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihr faltiges Gesicht. »Das schätze ich so an dir, Nicholas«, erklärte sie. »Dir entgeht wirklich nichts.«
»Was?« Arianna klang verwirrt. »Was hat Papa gemerkt, das mir entgangen ist?«
»Nicht der Schwarze Thron hat angeordnet, daß die Schamanen am Ort der Macht einen der Ihren postieren«, erläuterte die Schamanin. »Das ist ein Gesetz der Schamanen. Wie dein Vater weiß, ist die Magie der Fey in Domestikenmagie und Kriegsmagie eingeteilt. Der Schwarze Thron ist auf Kriegsmagie spezialisiert. Für Domestikenmagie empfindet er nur Geringschätzung.«
»Warum?« fragte Arianna.
»Weil Domestikenmagie in der Stille wirkt«, erwiderte die Schamanin. »Und weil sie Achtung vor allen Lebewesen empfindet. Ganz anders die Kriegsmagie. Sie will alles beherrschen.«
»Willst du damit sagen, daß ich Kriegsmagie besitze, weil ich von Schwarzem Blut bin?«
»Nein«, entgegnete die Schamanin. »Du bist nicht wie ich. Deine Visionäre Kraft ist anders,
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