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Fey 10: Das Seelenglas

Fey 10: Das Seelenglas

Titel: Fey 10: Das Seelenglas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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geachtet hätte.
    Ay’Le versuchte immer noch in der großen Politik mitzuspielen, und sie spielte gegen Licia.
    Licia blieb neben dem Felsbrocken stehen. Sie spürte die schwache Wärme der Sonnenstrahlen auf der Haut. Offenbar wurde es hier nie richtig heiß, und sie vermißte es auch gar nicht, aber allmählich machte ihr auch die frostige Luft zu schaffen.
    Licia wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als Ay’Le ihren Blick auf sie richtete. Ihre dunklen Augen funkelten. »Ich habe eine Nachricht an Rugad geschickt, daß du versagt hast.«
    Die Tierreiter sahen Licia an. Anscheinend waren sie alle auf Ay’Les Seite. Warum auch nicht? Schließlich verfügte sie über Hexenkräfte. Hexer hatten oft Anhänger, ob nun aus logischen Gründen oder nicht. Visionäre hingegen, sogar so geringe unter ihnen wie Licia, waren immun gegen ihre Verführungskunst.
    Noch nie hatte Licia das so deutlich gespürt wie in diesem Moment.
    »Tatsächlich?« fragte Licia ungerührt.
    »Ich erwarte seine Anweisungen. Ich bin mir ziemlich sicher, daß er dich entläßt. Es sei denn, er läßt dich gleich töten.«
    »Du brauchst keine Erlaubnis, um eine Versagerin zu töten«, entgegnete Licia leise. »Oder weißt du das auch nicht, Ay’Le?«
    Ay’Les Augen wurden schmal. »Kritisiere mich, soviel du willst. Aber ich tue dir nur einen Gefallen, wenn ich um Erlaubnis bitte.«
    »Wirklich?« fragte Licia ironisch. »Oder hoffst du nur, daß ich es mit der Angst zu tun bekomme?«
    »Fehlschläge sieht niemand gern«, antwortete Ay’Le.
    »Besonders wenn man sie selbst verursacht hat«, entgegnete Licia.
    »Willst du mir etwa die Schuld für deine Fehler in die Schuhe schieben?« fragte Ay’Le aufgebracht.
    Licia schüttelte den Kopf. »Nur für deine eigenen.«
    »Es nutzt dir nichts, mit ihr zu streiten, Versagerin«, sagte einer der Tierreiter.
    Licia drehte sich nicht einmal um, um zu sehen, wer gesprochen hatte. Es war ihr gleichgültig. Mit den Tierreitern würde sie sich später befassen. Zunächst mußte sie sich auf Ay’Le konzentrieren.
    »Du bist wirklich erbärmlich, wenn du nicht einsiehst, welche Niederlage du heute erlitten hast«, sagte Ay’Le.
    Licia lehnte sich an den Stein, dicht neben Ay’Les Knie. »Ich weiß, welche Niederlage wir heute erlitten haben. Ich kenne die Umstände, die dazu geführt haben. Die Welle, die heute morgen über das Land ging, hat alle von euch Magiebegabten außer Gefecht gesetzt. Die Inselbewohner verfügen über Fähigkeiten, auf die wir nicht vorbereitet waren. Ich weiß genau, was geschehen ist.«
    »Dann weißt du ja auch, wo du versagt hast«, erwiderte Ay’Le.
    »Ich finde es erstaunlich, daß du ein solches Ereignis Versagen nennst.«
    »Einen Rückzug? Für die Fey? Das ist nichts anderes als Versagen!« sagte Ay’Le aufgebracht. »Das kann man nicht anders bezeichnen.«
    »Ich nenne es eine Schlacht. Eine verlorene Schlacht, zugegeben, aber trotzdem eine Schlacht.« Aus dem Augenwinkel sah Licia, daß die Tierreiter schon leicht ins Wanken gerieten.
    Logik konnte Zauberkraft besiegen, wenn die Logik von einem Anführer ins Feld geführt wurde. Aber das war fast die einzige Situation, in der so etwas funktionierte. »Wir haben den Krieg noch nicht verloren, Ay’Le.«
    »Du meinst, du willst noch mehr von unseren Leuten opfern?«
    »Natürlich«, sagte Licia. »Wir sind schließlich Fey. Wir sind ein kämpferisches Volk. Ich würde uns wenn nötig alle opfern. Ich dulde keine Niederlage.« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. »Im Gegensatz zu dir.«
    Ein leichtes Raunen stieg von den Tierreitern auf.
    »Schsch!« zischte Ay’Le ihnen zu.
    Licia hingegen lächelte sie an. »Sie will nicht, daß ihr selbst anfangt zu denken. Sie will nicht, daß ihr wißt, daß unsere Niederlage, wie sie es nennt, zum Teil auch ihr eigener Fehler war. Sie hatte den Befehl, einen Frieden auszuhandeln, ohne jegliche Kampfhandlungen. Und das hat sie nicht getan.«
    »Boteen hat die Befehle nicht befolgt. Er hat es unmöglich gemacht, zu …«
    »Also beschuldigst du einen Toten für dein eigenes Versäumnis, deine Aufgabe zu erfüllen?«
    Aus Ay’Les Gesicht wich alle Farbe. »Boteen ist tot?«
    »Er wurde auf dem Berg von den Inselbewohnern ermordet«, erklärte Licia, beschloß jedoch, den Teil mit der Rotkappe auszulassen.
    »Du lügst!«
    »Ich weiß es von Boteens Schreiber, der auch dein Schreiber ist. Von dem Schreiber, den du selbst mitgebracht hast, damit er Lobeshymnen auf dich singt.

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