Fey 10: Das Seelenglas
Erstaunlich, wie viele dieser Schwerter an der Wand versteckt gewesen waren.
Sie konnten seine Leute töten. Was er jetzt noch wissen mußte, war, ob sie auch die Inselbewohner verletzen konnten.
Die Rotkappe konnte nur noch schwankend auf den Füßen stehen. Der kleine Mann hatte sehr viel Blut verloren. Vermutlich zuviel, um weiterzumachen.
Rugad packte ihn an seinem schmutzigen Hemd und hielt ihn so auf den Beinen. Er blickte zur Wache, die den Burschen in die Große Halle gebracht hatte. »Bring ihn zu Seger. Sag ihr, sie soll ihn wie ein Mitglied der Schwarzen Familie behandeln. Und laß ihm genügend Zeit zum Heilen seiner Wunden, bevor er zu seiner Arbeit zurückkehrt.«
Die Gesichtszüge des Wachtpostens verzogen sich angewidert, aber trotzdem nickte er. »Jawohl, Herr«, sagte er. Er blickte die Kappe finster an. »Komm mit.«
Die Kappe wand sich aus Rugads Griff und stakste unsicher hinter der Wache her. Rugad fragte sich, ob der Mann es wohl bis zu Segers Quartier schaffen würde. Er drehte sich um. Das interessierte ihn jetzt nicht mehr.
Die Kappe hatte ihm gezeigt, was er wissen mußte. Es gab Schwerter, die hier zwischen den anderen versteckt waren und die die Eigenschaft besaßen, einen Fey in einem einzigen Augenblick abzuschlachten.
Die Frage war jetzt, ob das für andere Völker auch galt, die Inselbewohner eingeschlossen.
Rugad schnippte mit den Fingern. Eine andere Wache trat vor und nickte. »Bring mir einen Inselbewohner.«
»Irgendeinen?« fragte der Mann.
»Egal wen, vorzugsweise einen unverletzten.«
»Ja, Herr.« Er verschwand durch die große Tür, genau wie der Posten vor ihm.
Rugad beugte sich über den Schwerterhaufen, hütete sich aber davor, eine der Waffen zu berühren. Sie hatten alle diese unglaublich dünne Klinge und sahen aus, als würden sie beim leichtesten Druck zerbrechen.
Aber das taten sie nicht. Sie waren ausnahmslos Meisterwerke einer Handwerkskunst, die ganz offensichtlich verlorengegangen war. Ein Glück für die Fey, sonst hätten die Inselbewohner sie zum zweiten Mal abgeschlachtet.
»Du wolltest mich sprechen, Rugad?«
Rugad erkannte Landres trockenen Tonfall sofort und fragte sich, wie der Zauberhüter sich nach all den Jahren immer noch unbemerkt an ihn heranschleichen konnte.
»Sieh dir das an«, sagte Rugad zu ihm. »Aber nicht anfassen.«
Landre ging neben ihm in die Knie. Der Zauberhüter war ein dünner Mann, zwar nicht ganz so dünn wie Boteen, aber er hatte trotz allem das hagere Aussehen, das von zuviel Zauberkraft herrührte. Selbst in der Hocke war er etwas größer als Rugad.
Landre trug Hosen, die nur bis zur Hälfte der Waden reichten, und darüber ein umhangartiges Kleidungsstück, das Rugad noch nie zuvor gesehen hatte. Er roch leicht nach Verwesung.
Rugad hatte ihn offensichtlich bei der Arbeit gestört.
»Schwerter?« fragte Landre.
»Keine normalen Schwerter«, antwortete Rugad. »Diese Schwerter sind wie das, das der Schwarzkittel vor einigen Wochen benutzt hat, um so viele unserer Leute zu töten. Ich habe sie gerade an einer Rotkappe ausprobiert. Er hat durch das bloße Berühren eines solchen Schwertes einen Finger verloren.«
»Hmm«, sagte Landre nachdenklich. »Dieses Material ist mir unbekannt.«
»Mir auch«, nickte Rugad. »Aber ich möchte, daß du eines dieser Schwerter an dich nimmst und zusiehst, was du darüber herausfinden kannst. Ich habe gerade eine Wache nach einem Inselbewohner losgeschickt, um zu sehen, ob diese Klinge ihre Haut genauso leicht aufschlitzt wie unsere.«
»Wenn sie das tut«, sagte Landre, »dann haben wir eine neue Waffe für unser Arsenal. Sie wird uns in Leutia gute Dienste leisten.«
»Wenn wir herausfinden, wie man sie herstellt«, schränkte Rugad ein.
Landre lächelte. »Mit der Zeit finde ich alles heraus.«
»Genau darauf zähle ich«, entgegnete Rugad. Er stützte die Hände auf die Knie und erhob sich. Dann wischte er sich die Handflächen an den Hosen ab. Seine Haut kribbelte immer noch davon, daß er die Rotkappe berührt hatte.
Landre richtete sich ebenfalls auf, wobei sein langer Körper knackte und knirschte. »Du hast mich nicht nur wegen der Schwerter kommen lassen.«
»Nein«, gab Rugad zu. »Du weißt, daß wir den Doppelgänger im Kerker gefangenhalten.«
»Ja«, sagte Landre und lächelte ohne einen Anflug von Humor. Rugad verstand nicht so ganz, was dieses Lächeln besagte.
»Er weiß sehr viel über die religiösen Rituale der Inselbewohner. Ich glaube, daß
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