Fiasko
vernünftige Entscheidung, eine in den Kosmos gerichtete Politik unter dem Namen PERFIS (Perfect Isolation) — in Anlehnung an die historische „splendid Isolation* der Briten. Die Informationsschwelle, die der Ankömmling für den Kontakt bewältigen muß, hat eine unbestimmte Höhe.
3. Nach Holger, Kroch und ihrem Team kann auch einem völlig geeinten Planeten, auf dem es weder Sieger noch Besiegte, weder eine starke Macht noch versklavte Untertanen gibt, der Kontakt unerwünscht sein. Die Hauptdilemmata einer solchen Zivilisation, die in der oberen Zone des Fensters vom Hauptstrang nach Hortega-Neyssel abweicht, liegen an der Berührungslinie ihrer Kultur und ihrer Technologie. Gegenüber einer in der präsaturativen parabolischen Beschleunigung befindlichen Technologie zeichnet sich die Kultur stets durch einen regulativen zeitlichen Rückstand der hervorzubringenden rechtlichen, sittlichen und ethischen Normen aus. Die Technologie macht bereits möglich, was die kulturelle Tradition noch verbietet und für unantastbar hält.
(Beispiele: die Gentechnologie, angewandt an Geschöpfen, die den Menschen entprechen; die Regulierung des Geschlechts; Gehirntransplantationen usw.) Im Lichte dieser Konflikte betrachtet, offenbart der Kontakt mit den Ankömmlingen seine Ambivalenz. Die planetare Seite, die den Kontakt von sich weist, braucht den Eindringlingen deswegen keine feindlichen Absichten zu unterstellen. Die Befürchtungen lassen sich sachlich rechtfertigen. Eine Spritze radikal neuer Technologien kann die gesellschaftlichen Bindungen und Beziehungen destabilisieren und ist in ihren Konsequenzen ohnehin niemals prognostizierbar.
Das betrifft nicht den über Funk oder anderweitig von fern aufgenommenen Kontakt, denn die Empfänger der Signale können die gewonnenen Informationen nach eigenem Ermessen nutzen und ignorieren.“
Tempe war müde, aber der Schlaf wollte immer noch nicht kommen. Er überblätterte mehrere Kapitel und las das letzte: über die Prozedur des Kontakts. Das SETI-Projekt berücksichtigte die bisher dargestellten Dilemmata als Schwierigkeiten der Verständigung des Gastes mit einem potentiellen Gastgeber. Die Expedition war mit speziellen Mitteln des Nachrichtenverkehrs sowie mit Automaten ausgestattet, die auch ohne vorherige Verhandlungen in Form eines Signal- und Informationsaustauschs vor einer Landung den friedlichen Charakter des Unternehmens kundgeben sollten. Das Verfahren hatte mehrere Stufen. Erste Ankündigung der Ankunft eines irdischen Raumschiffs war eine Emission auf den in einer Anlage beigefügten Bereichen von Funk-, Wärme-, Licht-und Ultraviolettwellen sowie im Korpuskelband. Sowohl beim Ausbleiben einer Antwort als auch nach Empfang eines unverständlichen Signals sollten auf alle Kontinente Landefähren entsandt und von Steuersensoren in Gegenden stark konzentrierter Bebauung geführt werden.
Es gab auch eine Menge Abbildungen, Schemata und Beschreibungen. In jeder Landefähre befanden sich ein Sende- und Empfangsgerät sowie Daten über die Erde und ihre Bewohner. Sollte auch dieser Schritt nicht die erhoffte Reaktion auslösen, sollten schwerere Sonden abgesetzt werden, ausgestattet mit Computern, die zur Erteilung von Belehrungen, zur Einführung in visuelle, daktylologische und akustische Codes imstande waren. Dieses Verfahren war nicht umkehrbar, denn jeder Schritt bildete die Fortsetzung des voraufgegangenen.
Die ersten Landefähren enthielten Indikationsemittoren für den einmaligen Gebrauch. Sie konnten nur durch die brutale Zerstörung ihrer Hülle aktiviert werden, nicht durch Havarie oder harte Landung, sondern durch absichtliche „nicht-diskursive Demontage“. (Der Pilot hatte großen Spaß an dieser hochwissenschaftlichen Definierung einer Situation, in der ein Höhlenbewohner mit der Feuersteinkeule auf den transistorierten Abgesandten der Menschheit losgeht — eine „nichtdiskursive Demontage“ findet ja auch statt, wenn man jemandem ohne viel Gerede ein paar Zähne ausschlägt.) Die aus Monokristallen gezüchteten Indikatoren zeichneten sich durch eine solche Widerstandsfähigkeit aus, daß sie selbst dann noch ein Signal senden konnten, wenn die Landefähre in Sekundenbruchteilen — beispielsweise durch Sprengung — zugrunde ging. Weiter stellte das Programm detailliert die Modelle jener Abgesandten und die Salven dar, in denen sie synchron auf die vorgesehenen Landeplätze gelenkt werden sollten, damit
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