Fiasko
Jahrhunderts Kriege erlebt, in denen Kernwaffen zum Einsatz gekommen wären. Der kalte Äquatorialfleck konnte nicht Folge eines derartigen Krieges sein, der nukleare Winter nach Atomschlägen muß praktisch den gesamten Planeten erfassen, denn die in die Stratosphäre geschleuderten Staubmassen erhöhen die Albedo der ganzen Scheibe. Die Gründe dafür, daß der Bau des Eisrings aus dem Wasser des Ozeans eingestellt worden war, ließen sich nicht ausmachen.
Tempe ließ die mit Diagrammen und Tabellen gefüllten Seiten durch die Finger gleiten, bis er zu dem gesuchten Kapitel kam: „Stand der Zivilisation-Hypothesen“. Dort hieß es unter Punkt 1: „Die Quinta leidet an inneren Konflikten, die die technologischen Faktoren mitgestalten. Das läßt auf das Vorhandensein antagonistischer Staaten oder anderer Aggregationen schließen. Die Ära offener bewaffneter Auseinandersetzungen gehört bereits der Vergangenheit an, sie hat nicht zu einer Entscheidung des Typus „Sieger — Besiegten geführt, sondern ist allmählich in eine kryptomilitärische Phase übergegangen.“
An dieser Stelle war — bereits an Bord des HERMES — eine ergänzende Druckausgabe eingeklebt, deren Urheber GOD war:
„Eines der Argumente zugunsten eines kryptomilitärischen Konflikts sind die Schmarotzer in den beiden Satelliten der Quinta. Bei dieser Auslegung verharren die Blöcke der Gegenspieler in einem Zustand, der im Clausewitzschen Sinne weder klassischer Frieden noch klassischer Krieg ist. Sie bekämpfen einander — außerhalb aller Fronten der Kryp-tomachie, wie sie etwa geführt wird, indem man dem Feind klimatische Schläge versetzt — durch die katalytische Erosion des technologisch-produktiven Materials. Dadurch kann auch die Schaffung des Eisrings zu Fall gekommen sein, denn dafür wäre eine globale Zusammenarbeit unabdingbar gewesen.“
Weiter ging es dann im Text der EURYDIKE: „Wenn derartige antagonistische Komplexe existieren und auf nichtklassische Weise miteinander kämpfen, kann der Kontakt mit jedwedem Besucher aus dem Weltraum erheblich erschwert werden. A priori ist der Gewinn eines kosmischen Alliierten eine wenig wahrscheinliche Möglichkeit für jede der Seiten, falls derer nur zwei sind. Es gibt nämlich kein rationales Motiv in Form eines konkreten Vorteils, den der außerplanetarische Eindringling erzielt, wenn er in dem Konflikt Partei nimmt. Der Kontakt kann sich dagegen als Zündkapsel erweisen, die die stille, schwelende, kontinuierlich und hartnäckig fortgesetzte Kryptomachie in einen frontalen Zusammenstoß beider Seiten und Kräfte verwandelt. Beispiele:
1. Auf dem Planeten T befinden sich die Blöcke A, B und C, die einander bekämpfen. Nimmt B den Kontakt zu dem Eindringling auf, wird das eine Herausforderung für A und C sein, die sich stark bedroht fühlen. Sie können entweder den Eindringling angreifen, damit er nicht das Potential von B vergrößern kann, oder gemeinsam über B herfallen. Die Situation befindet sich in einem labilen Gleichgewicht, bei jeder Instabilität aber genügt ein äußerer Faktor mit großem technischen Potential (ein solches muß der Ankömmling ja haben, da er zu dem galaktischen Sprung imstande war), um es zur Eskalation der feindseligen Handlungen kommen zu lassen.
2. Die Quinta ist vereinigt — als Föderation oder als Protektorat. Es gibt keine gleich starken Antagonisten, da eine der Mächte den gesamten Planeten unter ihre Herrschaft gebracht hat. Diese Herrschaft, die Resultat siegreicher Kampfhandlungen, einer nichtmilitärischen Eroberung oder der Unterwerfung des Schwächeren sein kann, bietet unter dem Aspekt der Strategie eines Kontaktes mit dem galaktischen Eindringling ebenfalls keine gute Stabilität. Der Globalmacht dürfen weder dämonische noch imperialistische Absichten einer außerplanetarischen Expansion unterstellt werden. In der Absicht einer so modellierten Quinta liegt nicht die Vernichtung des Ankömmlings, sondern die Vereitelung der Kontaktaufnahme, vor allem der Landung auf dem Planeten. Die technologischen Gastgeschenke, die von dem Ankömmling zu erwarten sind, können sich leicht als verderbenbringend erweisen. Versuche, den Gast in die Schranken zu weisen, damit er nicht das herrschende soziopolitische Gleichgewicht stört, können leicht auf Kosten ebendieses Gleichgewichts zurückschlagen. In dieser Konstellation ist die Verweigerung des Kontakts also seitens der globalen Macht eine
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