Fiasko
Makroquantenversion erfordert, wo zuvor die Energie von der Sonne bezogen worden sein mußte, denn Kraftstationen auf dem Planeten, die die notwendige Leistung entwickelt hätten, wären dem HERMES bereits beim Anlaufen durch die thermische Resterwärmung des umliegenden Geländes aufgefallen.
GOD hatte, komplett überrascht, den rettenden Strohhalm in der Gravitation gefunden. Unter Einsatz- der gesamten verfügbaren Leistung beider Hauptkraftwerke hatte er das Raumschiff mit ringförmigen Schwerefeldern umgeben.
Innerhalb dieser Ringe steckte wie im Zentrum gekreuzter Autoreifen der HERMES, und die gegen ihn gerichteten Geschosse fielen mit der Schwarzschildschen Krümmung in den Raum. Da jedes materielle Objekt dabei sämtliche physikalischen Eigenschaften außer elektrischer Ladung, Drehmoment und Masse verliert und ein formloses Teilchen im Grab der Gravitation wird, war von den bei dem Angriff eingesetzten Mitteln keine Spur geblieben. Die als undurchdringlicher Panzer benutzten Ringe hatten nur eine Viertelminute bestanden, aber das hatte das Raumschiff 1021 Joule gekostet. Der HERMES hatte nicht das Schicksal GABRIELS geteilt, sich dank der toroiden Anordnung der Schwereimpulsdämme also nicht durch Selbstverteidigung vernichtet. Da man sie jedoch nicht direkt am Emittor scharf bündeln konnte, hatte das Raumschiff etwa ein Hunderttausendstel der freigesetzten Energie abbekommen. Bereits einige Zwanzigtausendstel hätten es zermalmt wie ein Hammer ein ausgeblasenes Ei.
Die Männer hatten alles heil überstanden. Außer Steergard und Kirsting hatten alle geschlafen oder wenigstens wie Tempe angegurtet in ihren Kojen gelegen.
Das Raumschiff besaß keine Kampfausrüstung. Polassar verlangte — was immer auch geschehen sollte — den Eintritt ins Perihel, damit die bei der Abwehr des Angriffs verlorene Energie wieder ersetzt werden konnte. Unterwegs durchflog der HERMES eine Wolke verdünnten Gases, das man für eine sich im Sonnensturm auflösende Protuberanz ansah, bis die Sensoren meldeten, daß sich unzählige Moleküle an den Panzer gesetzt hätten und ihn katalytisch anfräßen. An Bord genommene Proben erwiesen eine spezifische Gefräßigkeit, die derjenigen der bereits bekannten Viroiden verwandt war. Steergard tat also, was er im Gespräch mit dem Apostolischen Gesandten als „Öffnung des Visiers“ bezeichnet hatte. Mit einer Serie thermischer Schläge fegte der HERMES die verräterische Wolke auseinander, und die an den Bordwänden sitzenden Eroviren vernichtete er auf einfachste Weise: Die Kühlanlagen auf voller Leistung, sich wie ein Braten auf dem Grill um die eigene Achse drehend, jagte er durch den oberen Teil einer nur Lichtsekunden über der Photosphäre hegenden Sonnenprotuberanz. Anschließend ging er auf eine stationäre Umlaufbahn, kehrte das Heck gegen die Zeta und öffnete die Schleusen für die Energieaufnahme. Mit einem Teil der getankten Leistung speiste er die Kühlanlagen, den Rest schluckten die Sideralaggregate. Die Crew war mittlerweile in drei Gruppen gespalten. Harrach, Polassar und Rotmont hielten das Abenteuer mit der Wolke für einen zweiten Angriff der Quintaner.
Kirsting und El Salam betrachteten es nicht als einen mit Absicht geführten Schlag, sondern als eine Art Zufall — als wäre der HERMES in ein Gebiet geraten, das lange vor seiner Ankunft vermint worden war. Nakamura nahm einen Standpunkt ein, der in der Mitte lag: Die Wolke war nicht als Falle gedacht gewesen, weder für den HERMES noch für quintanische Orbiter, sie war einfach eine „Müllkippe“
für Waffen der Mikromachie, die zu militärischen Zwecken über dem Planeten eingesetzt und — ganz gegen die Absicht der krieg führenden Sehen — von der Schweredrift der Sonne ins Perihel getrieben worden waren.
Arago sagte nichts. GOD befaßte sich mit der Programmierung möglicher Strategien für Abwehr-, Angriffs- und Verständigungsmaßnahmen. Präferenzen erteilte er keiner: Die Daten waren für die Optimalisierung einer jeden dieser Verfahrensweisen zu mager.
Gerbert hielt für den einzigen Ausweg den Verzicht auf den Kontakt und auf die Demonstration der Stärke, sprach sich aber selbst die Zuständigkeit ab, an den immer heftiger werdenden Auseinandersetzungen teilzunehmen. Tempe war zum Kommandanten gerufen worden, als die Energievorräte ergänzt wurden. Er sagte, er sei kein SETI-Experte und kommandiere auch nicht das Raumschiff. „Du wirst
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