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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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volle Herrschaft bringen. Dies ist wahrscheinlich auch eingetreten, da die Einrichtung von Stützpunkten einseitig im Gange gewesen war. Die in Schach Gehaltenen mußten den Mond aufgeben, die Schach Bietenden aber hatten nicht die Kraft, ihn zu besetzen. Der Rückzug konnte auch aus einem anderen Grund erfolgt sein: durch neue Fortschritte in der Störung des Nachrichtenverkehrs. Falls es dazu gekommen war, hatte der Mond seinen strategischen Wert als außerplanetare Kommandobasis für militärische Operationen verloren. Das abstrakte Modell der Kosmomachie ist ein aus mehreren Phasen bestehender Raum mit den kritischen Oberflächen des Übergangs von einer allgemein erreichten Phase in die nächste. Einmal astronomisch aufgebläht, zwang die Sphäromachie den Antagonisten Kampfmethoden auf, die in ihrer Geschichte ohne Beispiel waren.
       Auf die Tatsache, daß die Gegenspieler in den Besitz eines Potentials zur Unterbrechung des Kontakts der Operativstäbe mit deren Basen und Waffen zu Lande, zu Wasser, in der Luft und im All gelangt waren, gab es nur eine einzige strategisch optimale Reaktion: Den eigenen Waffen und Basen mußte eine zunehmende Autonomie für den Fall von Kampfhandlungen eingeräumt werden. Es kommt zu einer Situation, in der sämtliche Stäbe wissen, daß zentralistische Stabsoperationen zu nichts mehr führen. Daraus erhebt sich folgende Frage: Wie lassen sich Angriffsund Abwehrstrategien durchhalten, wenn es keine Verbindung zu den eigenen Kräften mit dem Planeten und im Weltraum gibt?
       Niemand verstopft sich selbst die Aufklärungs- und Befehlskanäle. Dies geschieht durch den sogenannten Spiegeleffekt.
       Jeder fügt dem anderen zu, was ihm weh tut, und bekommt es in gleicher Münze heimgezahlt. Auf den Wettstreit um Zielgenauigkeit und Stärke der ballistischen Raketen folgt der Kampf um den Schutz der Nachrichtenverbindung. Der erstere war eine Anhäufung von Vernichtungsmitteln und die Androhung ihres Einsatzes. Der letztere ist ein „Nachrichtenkrieg“, in dem die Schlachten um Unterbrechung und Rettung der Informationsverbindung real sind, obgleich sie weder Ruinen noch Blutopfer nach sich ziehen. Die Gegenspieler füllen die Funkkanäle allmählich mit einem Rauschen und verlieren die Kontrolle sowohl über die Dislozierung der eigenen Waffen als auch über Bewaffnung und operative Bereitschaft der Gegner.
       Bedeutet dies, daß eine Lähmung der Führungstüchtigkeit der Stäbe die Schlachten in den Weltraum trägt und diesen zum Feld ständiger Angriffe und Gegenangriffe selbständig gewordener Waffen macht? Haben diese Waffen die Aufgabe, von sich aus die Orbiter des Feindes zu vernichten? Nichts dergleichen. Nach wie vor gilt das Primat des Kampfes um den Nachrichtenverkehr. Dem Gegner muß überall der Blick getrübt werden.
       Zuerst entsteht eine unüberschreitbare Schwelle für einen frontalen Zusammenstoß der Kräfte auf dem Planeten, wenn die Stärke der Landungen, die ballistische Zielgenauigkeit und die potentielle Folge von beidem — der tödliche nukleare Winter- das unvermeidliche Ende des Krieges bedeuten.
       Die Gegner, zu anderem nicht mehr imstande, vernichten einander daraufhin gegenseitig die Kontrolle über die Arsenale. Alle Funkwellenbereiche unterliegen der Verklatschung. Die gesamte Kapazität der Übertragungskanäle wird von einem Rauschen erfüllt. Für einen ziemlich kurzen Zeitraum kommt es zu einem Wettlauf, bei dem sich die verdeckende und die der Signalgebung, der Aufklärung und Befehlserteilung dienende Kapazität gegenseitig zu Überbieten suchen. Auch diese Eskalation aber, die das Rauschen durch ein stärkeres Signal durchdringt und durch verstärktes Rauschen wiederum das Signal verdeckt, führt nur in die Sackgasse.
       Eine Zeitlang wird noch die Maser- und Lasertechnik entwickelt. Paradoxerweise führt der elektronische Krieg durch die Zunahme der Emissionsleistung auch hier zum Patt; Die Laserstrahlen sind zwar stark genug, die Schutzschilde zu durchdringen, werden aber dadurch vom Mittel der Erkenntnis zu einem solchen der Destruktion. Man kann dies dem weißen Stock vergleichen, mit dem ein Blinder immer heftiger im Finstern herumfuchtelt. Aus dem Mittel zur Orientierung wird eine Streitkeule.
       Das bevorstehende Patt voraussehend, arbeitet jede Seite an der Produktion von Waffen, die erst taktische und dann auch strategische Autonomie entwickeln. Die Kampfmittel erlangen die Unabhängigkeit von ihren

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