Fiasko
im Sinne der Spieltheorie, denn beim Nichtvorhandensein von Minimal-Maximal-Lösungen gibt es keine besseren Entscheidungen als die rein dem Schicksal überlassenen. Er konnte sich also durchaus vor sich selbst rechtfertigen, wollte es aber nicht. Als er sich in der Mitte des tunnelartigen Korridors befand, kehrte die Schwerelosigkeit zurück. Er rief den Lift.
Die Würfel waren gefallen. Er wollte keinen Kampf, aber er kannte seine Männer und wußte, daß außer dem Abgesandten des Heiligen Stuhls keiner mit einer Umkehr einverstanden sein würde.
XI
Demonstration der Stärke
Die für den Angriff verwendeten Mittel ließen sich nicht diagnostizieren, denn sie waren, woraus immer sie auch bestanden hauen, aus Zeit und Raum verschwunden. Die im Verteidigungsspeicher GODs aufgezeichneten Daten verrieten den Physikern, was sie bereits vermutet hatten. Da Sensoren den Raum um den HERMES nach allen Richtungen bis hin an den äußersten Perimeter der Verteidigung abtasteten, konnte das Radarecho von millimetergroßen Teilchen in einem Umkreis von einhunderttausend Meilen erkannt werden. Der Schlag war nicht mit Strahlen geführt worden — er hatte eine Spektrallinie hinterlassen. Die plötzliche, fast gleichzeitige Entstehung von einigen Dutzend Objekten mit nebligen Rändern, die in einem konzentrischen Schwärm auf den HERMES zuschössen, schien zunächst rätselhaft. Sie waren in der geringen Entfernung von ein bis zwei Meilen entstanden. Die Physiker, auf Vermutungen angewiesen, erwogen Möglichkeiten einer unbemerkten Durchdringung des Sensorenschilds. Sie fanden drei Varianten.
Der ersten zufolge konnten sich Wolken von Teilchen, die nicht größer als Bakterien waren, zu tonnenschweren Massen vereinigen, was die nicht alltägliche Fähigkeit vorausgesetzt hätte, selbstkoppelnde Teilchen zu produzieren und in starker Dispersion ins Ziel zu führen, gleich Wolken von Mikrokristallen, die sich — mit entsprechender Verzögerung bereits innerhalb des Perimeters — zur Lawine formierten. Die einzelnen Teilchen, die nicht auf irgendeine Weise kondensierten, sondern durch eigene Interaktion zu Geschossen wurden, mußten einen höchst subtilen Bau aufgewiesen haben. Neun Sekunden vor dem Schlag hatten die Bordmagnetometer rings um das Raumschiff einen Sprung des Magnetfelds registriert, der m seinem Scheitelpunkt eine Milliarde Gauß erreichte und nach wenigen Nanosekunden fast auf Null zurückfiel.
Gegen diese Annahme sprach das Fehlen jeglicher elektromagnetischer Aktivität in der Zeit davor. Die Physiker hatten keinen Mechanismus der Herstellung eines Felds von solcher Intensität anzubieten, dessen Quellen, ohne zuvor offenbar zu werden, der Aufmerksamkeit der Sensoren entgangen wären. Theoretisch hätte der Schutzschild von Dipolen durchdrungen werden können, wenn ihre Wolke sich in einer gegenseitigen Orientierung von Billionen Molekülen neutralisiert hatte.
Eine solche Rekonstruktion des Angriffs setzte eine Technologie voraus, wie sie auf der Erde niemals projektiert und daher auch nicht experimentell erprobt worden war. Die zweite Eventualität stellte eine überaus spekulative Ausnutzung von Quanteneffekten des Vakuums dar. Dieser Auffassung zufolge waren keinerlei materielle Teilchen durch die schirmende Barriere geschmuggelt worden, hatte es auch auf dem gesamten sphärischen Vorfeld nicht ein einziges Teilchen gegeben.
Das physikalische Vakuum enthält eine Unmenge virtueller Teilchen, die sich bei schlagartiger Energiezufuhr von außen materialisieren können. Dieses Bild setzte voraus, daß das Raumschiff außerhalb des Aufklärungsradius der Schutzhülle von Generatoren härtester Supraröntgenstrahlung umgeben war und die Entladung zentripetal erfolgte, so daß die Welle in Gestalt einer mit Lichtgeschwindigkeit schrumpfenden Kugel genau beim Kontakt mit dem Schutzschirm einen Tunneleffekt erzeugte: Die rings um das Raumschiff freigesetzten Energiequanten schieden aus dem Vakuum genügend Hadronen aus, um sie von überallher auf den HERMES eindringen zu lassen. Die Methode war real, erforderte jedoch eine ausgeklügelte Apparatur, deren präzise Dislozierung im Raum und eine vollkommene Tarnung der Orbiter. Das erschien wenig wahrscheinlich.
Die dritte Variante schließlich zog die Anwendung negativer Energie außerhalb des Verteidigungsperimeters in Betracht. Sie hätte allerdings die Beherrschung der Sideraltechnologie sogar in deren
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