Fiasko
und ähnlich verhielt es sich bei jeder anderen Bewegung auch. Dank der unerhörten Präzision der Relais konnte die Maschine nach dem Willen des Maschinisten ein volles Glas von einem Tisch nehmen und in eine Höhe von zwölf Stockwerken heben, ohne einen Tropfen zu verschütten oder das Gefäß in dem stählernen Zangengriff zu zerbrechen, aber das wäre nicht mehr gewesen als die Demonstration besonderer Kunstfertigkeit des Maschinisten, denn nicht Steinchen oder Gläschen sollte der Koloß aufnehmen, sondern tonnenschwere Röhren, Traversen und Gesteinsbrocken. Gab man ihm die entsprechenden Werkzeuge in die Hand, so wurde er zum Bohrturm, zum Bagger oder zum Kran — immer ein Kraftpaket, das fast unerschöpfliche Starke mit menschlicher Geschicklichkeit vereinte. Die Großschreiter waren eine Potenzierung des Konzepts eines Exoskeletts, wie es — als äußerer Verstärker des menschlichen Körpers — bereits aus vielen Prototypen des 20. Jahrhunderts bekannt war. Damals war die Erfindung verkümmert, weil man auf der Erde keine Bedingungen vorfand, in denen sie konkurrenzlos anwendbar gewesen wäre. Die Eroberung des Sonnensystems ließ diese Vorstellungen wieder aufleben. Planetarmaschinen tauchten auf, den örtlichen Aufgaben und Gegebenheiten, den jeweiligen Himmelskörpern angepaßt, auf denen sie arbeiten sollten. Vom Gewicht her unterschieden sie sich also, aber das Beharrungsvermögen der Masse ist überall gleich, und hier lag der zweite, wesentlichste Unterschied zwischen ihnen und den Menschen.
Sowohl die Belastbarkeit des Baustoffs als auch die Antriebskraft haben ihre Grenzen. Sie werden gesetzt von der Trägheit der Masse, die selbst dann vorhanden ist, wenn sich weit und breit kein gravitierender Körper befindet. Man kann mit dem Großschreiter keine schnellen Bewegungen machen, ebensowenig wie sich ein Panzerkreuzer auf See jäh zum Halten bringen oder der Ausleger eines Krans wie ein Propeller herumwirbeln läßt. Wer mit dem Diglator so etwas versuchte, würde ihm die Brückenkonstruktion der Gliedmaßen brechen. Um solchen Unfällen vorzubeugen, haben die Techniker in alle Zweigstücke des Antriebs Sicherungen eingebaut, die jedes Manöver, das einer Katastrophe gleichkäme, vereiteln. Der Maschinist kann diese Wächter jedoch einzeln oder insgesamt abschalten, falls er in schlimmste Schwierigkeiten gerät. Auf Kosten der ruinierten Maschine konnte er dann mit dem Leben davonkommen — bei einem Steinschlag etwa oder in anderen Notsituationen. Sollte selbst das keine Rettung bieten, blieb ihm als letzte Chance, als ultimum refugium der Vitrifikator. Der Mensch wurde ja durch den Außenpanzer des Schreiters und die inneren Schutzschilde der Kabine geborgen, in der letzteren jedoch gähnte über ihm wie eine Glocke die Mundöffnung des Vitrifikators. Diese Anlage konnte einen Menschen in Sekundenbruchteilen einfrosten. Die Medizin war allerdings noch außerstande, den vitrifizierten Körper wiederzubeleben, die Katastrophenopfer ruhten in Behältern mit Flüssigstickstoff und warteten, ohne sich zu verändern, auf die Resurrektionskünste kommender Jahrhunderte. Dieses Aufschieben der Arztespflichten in eine unbestimmte Zukunft sah vielen Menschen nach einer makabren Desertierung aus, einem Hilfeversprechen ohne jegliche Garantie der Erfüllung. Dennoch war es ein Präzedenzfall, der an eine Grenze stieß, aber in der Medizin nicht der erste war. Die ersten Transplantationen von Affenherzen für Menschen in Todesgefahr hatten ähnliche Reaktionen der Entrüstung und des Grauens ausgelöst. Bei Umfragen unter den Maschinisten wurde übrigens festgestellt, daß sie in die Vitrifizierungsapparate nur bescheidene Hoffnungen setzten. Ihr Beruf war etwas Neues, der darin lauernde Tod so alt wie alle menschlichen Unternehmungen. Auch Angus Parvis gedachte, während er mit schweren Schritten über den Boden des Titan stampfte, nicht im geringsten des schwarzen Brunnenrings über seinem Kopf und des Auslösers, der wie ein kleiner Rubin in einer durchsichtigen Haube glomm. Mit übertriebener Vorsicht betrat er die Betonfläche des Kosmodroms, um dort die Gange des Diglators zu erproben.
Sogleich kehrte der seit langem bekannte Eindruck wieder, ungewöhnlich leicht und schwer zugleich zu sein, frei und gefesselt, langsam und schnell — ein annähernd entsprechendes Gefühl mag ein Taucher haben, den der Auftrieb des Wassers seines Körpergewichts entledigt, dem das flüssige Medium
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