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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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prinzipiell die gleichen chemischen Elemente wie auf der Erde, nur haben sie sich auf der letzteren sozusagen in die Knechtschaft der biologischen Evolution begeben und nur in dieser den Menschen in Erstaunen versetzt durch das Raffinement komplizierter Verbindungen, die sich zu Organismen und deren lebensbedingten Artenhierarchien fügten. Daraus wurde der Schluß gezogen, daß hohe Kompliziertheit eine Eigenschaft nur der lebendigen, aber nicht jeder Materie sei, da das Chaos im anorganischen Zustand nichts hervorbringen könne als blinde vulkanische Zuckungen, bei denen Lavaströme und Wolken von herabregnender Schwefelasche ausgespien werden.
       Im Nordosten seines Runds war der Roembden-Krater einst geborsten. Danach war durch diese Lücke ein Gletscher aus gefrorenem Gas eingedrungen. Nach Jahrmillionen hatte er sich zurückgezogen und auf dem zerpflügten Gelände mineralische Ablagerungen zurückgelassen, die das Entzücken und den Kummer der Kristallographen und der anderen, nicht minder erstaunten Wissenschaftler hervorriefen. Es war wirklich etwas zu sehen. Der Pilot, jetzt Führer eines Großschreiters, hatte vor sich eine von fernen Berghängen gerahmte ausgedehnte Ebene, die übersät war mit — ja, womit eigentlich? Es sah aus, als hätten sich die Schleusen unirdischer Museen und Lapidarien darüber entleert, als wären Kaskaden von Gerippen, Leichnamen und Überresten morscher Scheusale hier niedergegangen — oder vielmehr die mißratenen, irrsinnigen Entwürfe solcher Spukgestalten, eine phantastischer als die andere. Zerschmetterte Fragmente von Geschöpfen, denen nur ein Zufall verwehrt hat, am Kreislauf des Lebens teilzunehmen. Er sah gewaltige Rippen oder die Gerüste von Spinnen, die mit ihren Schienbeinen blutig gesprenkelte Scheucheneier umkrampften, mit kristallenen Hauern ineinander verbissene Kiefer, tellerförmige Rückenwirbel, wie von vorsintflutlichen Echsen nach der Verwesung gleich rollenweise verstreut. Diese ganze Schauerlichkeit in all ihrem Reichtum war aus der Höhe des Diglators am besten zu sehen. Die Bewohner des Roembden nannten dessen Umgebung zu Recht den „Friedhof“, denn diese Landschaft schien ein verlassenes Schlachtfeld Jahrhunderte währender Kämpfe zu sein, ein Beinhaus über jedes Maß gewachsener morscher Skelette. Angus erblickte glattgeschliffene Gelenkflächen, die aus dem Kadaverberg der Ungeheuer ragten und auf denen sogar in blutigroten Gerinnseln die Stellen zu erkennen waren, wo die Sehnen ansetzten. Daneben lagen zerfranste Felle, deren Behaarung in den Farben des Regenbogens schillerte und sich, vom Wind sanft durchkämmt, in wechselnde Wellen legte. Weiter weg schimmerten durch den Nebel vielstöckige Gliederfüßer, die sich ineinandergefressen, sich im Tode gegenseitig durchdrungen hatten. Von spiegelnden Prismen ragten nicht minder glitzernde Gehörne auf, umgeben von verstreuten schmutzigweißen Knochen und Schädeln. Der Pilot sah das alles und wußte, daß die in seinem Gehirn entstehenden Assoziationen und ihr düsterer Sinn nur eine Täuschung des durch die Fremdartigkeit überraschten Blicks waren. Hätte er im Gedächtnis nur gut nachgegraben, so wäre er wohl darauf gekommen, welche Verbindungen in einer in Jahrmilliarden tätigen Chemie ebendiese Formen hervorbrachten, die, mit Roteisenstein gefleckt, einen blutigen Knochen vortäuschten und solche, die bescheidenen Leistungen der irdischen Asbeste weit übertreffend, die den irisierenden Flausch des zartesten Fells erzeugten. Doch auch die feierlichsten Ergebnisse solcher Analysen dürften sich als kraftlos erweisen vor dem Eindruck, der sich den Augen aufdrängte. Eben dadurch, daß hier niemals etwas einer Sache zu dienen hatte, daß hier nie das Fallbeil der Evolution in Aktion war, das jedem Wildwuchs wegschnitt, was das Überleben nicht unterstützte oder ihm nicht diente, eben dadurch, daß die Natur — weder durch entstehendes Leben noch durch zugefügten Tod gebändigt — die Befreiung erlangen konnte, offenbarte sie die ihr eigentümliche Großzügigkeit, eine grenzenlose Vergeudung als brutalen Pomp für nichts und wieder nichts, als ewige Kraft der Schöpfung ohne Zweck, ohne Bedarf, ohne Sinn — und diese Wahrheit, von der sich der Betrachter zunehmend ergriffen fühlte, war selbstverständlich grausamer als der Eindruck, er habe vor sich ein kosmisches Panoptikum einer Mimikry des Todes, es breiteten sich unter dem Gewitterhimmel tatsächlich die sterblichen

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