Fiasko
haben, sie suchen nun den eigenen Schwung zu bremsen, aber das ist nicht mehr möglich, nicht einmal dort, wo sie nicht von Inneren Antagonismen aufgezehrt werden.
Das Unfallopfer vom Titan hatte viel Zeit, Fragen zu stellen und Antworten zu hören.
Vom Nachdenken über sich selbst und die Welt, auf der Erde Philosophie genannt, gehen die Vernunftbegabten zum Tun über, das ihnen immer deutlicher, immer augenfälliger macht, daß das, was immer sie ins Leben gerufen hat, ihnen nichts Gewisseres mitgab als die Sterblichkeit. Ebendieser verdanken sie ihr Dasein, denn ohne sie hätte der Jahrmilliarden währende Wandel entstehender und vergehender Arten nicht funktioniert. Sie gebar der Schlund allen Sterbens im Archäozoikum, des paläozoischen Zeitalters, der aufeinanderfolgenden Erdzeitalter, und zusammen mit ihrer Vernunft erhielten sie die Gewißheit, sterben zu müssen. Sehr schnell, anderthalb Jahrtausende nach dieser Diagnose, kommen sie hinter die Zeugungsmethoden der Natur, diese ebenso perfide wie verschwenderische Technologie sich selbst erfüllender Prozesse, wie die Natur sie benutzt, um weiteren Formen des Lebens Raum zu schaffen. Diese Technologie weckt Bewunderung, solange sie ihren Entdeckern unzugänglich bleibt. Auch das aber währt nicht lange. Nachdem Pflanze, Tier und eigener Körper um alle Geheimnisse bestohlen sind, krempelt man die Umwelt und sich selber um, es kommt zu einem Machthunger, der sich nicht stillen läßt.
Man kann in den Kosmos ausweichen — um sich endgültig zu überzeugen, wie fremd er einem ist und wie rücksichtslos einem das Mal der tierischen Herkunft eingebrannt ist. Auch diese Fremdheit läßt sich bewältigen; bald wird man innerhalb der errichteten Technosphäre zum letzten Relikt eines uralten biologischen Erbteils. Zusammen mit der einstigen Not, dem Hunger, den Seuchen, der Unzahl von Altersbeschwerden kann man die sterbliche Hülle abwerfen, eine Aussicht, die sogleich als phantasmagorische, ferne, erschreckende Wegscheide erscheint.
Der Verunglückte nahm derlei Gemeinplätze nur widerstrebend zur Kenntnis, sie rochen ihm zu sehr nach düsterem Pathos und einer von Ingenieurgeist geprägten Eschatologie. Er wollte, da er nun schon unfreiwilliger Teilnehmer war, das Ziel der Expedition kennenlernen. Ein neueres, dennoch für die Exobiologie bereits klassisches Werk machte ihn mit ihrem Vorhaben vertraut, und er sah in diesem Buch das Diagramm von Hortega und Neyssel.
Dieses Diagramm veranschaulicht die Entwicklung der Psychozoen im Universum mit ihrem Hauptstrang und seinen Verzweigungen.
Die Anfangszeit des Hauptstrangs fällt ins frühe Technologiezeitalter, sie ist von kurzer Dauer, in den tausend Jahren zwischen der Etappe der mechanischen und der informatorischen Geräte bietet er keine Abzweigungen. Im darauffolgenden Jahrtausend kreuzt sich die Informatik mit der Biologie und lost damit die Strömung der biotischen Beschleunigung aus.
An dieser Stelle geht der diagnostische Wert in den prognostischen über und demgemäß zurück. Der Hauptstrang war von Tatsachen und Theorien markiert worden; seine Anläufe sind Resultanten ausschließlich von Theorien, gestützt allerdings durch andere, die in hohem Grade glaubhaft sind.
Den kritischen Scheideweg des Hauptstrangs bringt der Zeitpunkt, zu dem die konstruktorischen Fertigkeiten der Vernunftbegabten mit der Leben zeugenden Potenz der Natur auf einer Stufe stehen. Der weitere Gang der einzelnen Zivilisation ist nicht voraussehbar. Das ergibt sich allein schon aus dem Charakter des Scheidewegs. Ein Teil der Zivilisationen kann sich durch eine starke Restriktion zugänglicher, aber immer unverwirklicht bleibender Autoevolution auf dem Hauptstrang halten. Den Grenzfall des Biokonservatismus setzt dann das instituierte Recht (Gesetze, Konventionen, Verbote mit Strafandrohung), dem die von der Natur übernommenen Fertigkeiten kategorisch unterliegen. Es entstehen der Umwelt rettend zugewandte Techniken: Sie sollen die Technosphäre möglichst schmerzlos der Biosphäre anpassen. Die Aufgabe kann, muß aber nicht ausgeführt werden; die Zivilisation schlägt dann in einer Serie autodestruktiver Krisen demographische Wellen. Sie kann etliche Male zurückgehen und sich regenerieren, wobei sie für diese selbstzerstörerische Inertion mit Milliarden Opfern zahlt. Es gehört dann nicht zu ihren vordringlichsten Aufgaben, interstellaren Kontakt zu suchen.
Die
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