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Fida (German Edition)

Fida (German Edition)

Titel: Fida (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Maucher
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allen Kindern stand ihm Martha am nächsten. Er konnte nicht sagen warum. Und Martha schien an ihm genauso zu hängen, was sie gerne dadurch zeigte, dass sie sehr schnell gekränkt spielte. Zum Beispiel, wenn jemand anderes ihm Tee kochte. Sie hielt das Beleidigt-Sein aber meistens nicht sehr lange durch.
     
    „Was habt ihr gespielt?“, versuchte er sie abzulenken.
     
    „Wieso hat die dir Tee gemacht?“, fragte das Kind unbeirrt und anklagend.
     
    „Weil sie es immer macht“, antwortete er sanft, „das weißt du doch. Und es ist doch in Ordnung, oder?“
     
    Das Mädchen schaute immer noch schmollend auf die leere Tasse und schien – wie üblich - nicht zu bemerken, dass Patrik ihm eine Frage gestellt hatte.
     
    Das Lachen hinter der Tür war mittlerweile zu einem Streit geworden, aber so etwas dauerte bei den Kindern nie lange an. Der Winterwind rüttelte an den Glasscheiben und ein eisiger Lufthauch zog durch die leere Lagerhalle. Martha, die anscheinend beschlossen hatte, noch eine Weile gekränkt zu sein, trat mit vorgeschobener Unterlippe zu Patriks Rollstuhl und steckte die verrutschte Decke wieder fest.
     
    Hinter der schiefen Tür tauchten zwei weitere Kinder auf. Wenn sie nicht andere Kleidung tragen würden, das eine einen braunen Faltenrock und eine dicke Winterjacke, das andere Jeans und zwei Pullover übereinander, könnte man sie für Spiegelbilder des ersten Mädchens halten. Auch sie schauten Patrik ernst mit ihren eisgrünen Augen an, aber im Gegensatz zu Martha wirkten sie nicht beleidigt, sondern so, als hätten sie etwas ungeheuer Wichtiges vor und wären sehr stolz darauf.
     
    „Hallo Sarah, hallo Lotta“, sagte Patrik, „wo wollt ihr denn hin?“
     
    Sie trugen zwischen sich eine große und leicht aufgeweichte Bananenkiste.
     
    „Wir gehen einkaufen!“, sagte eines der Mädchen gewichtig und eindeutig nicht an Patrik, sondern an Martha gewandt. „Wir haben fast keine Kekse mehr!“
     
    In der Kinderstimme klang der Ernst dieses Umstandes mit.
     
    „Gut“, sagte Martha. „Wir werden Kekse brauchen, wenn wir mit den Yetis fertig werden wollen.“
     
    „Außerdem“, fügte Sarah hinzu, „will ich ein paar Schneebeeren pflücken.“
     
    Die beiden anderen Mädchen starrten sie entsetzt an.
     
    „Jetzt doch noch nicht!“, fuhr Lotta sie aufgebracht an und Sarah zuckte zusammen.
     
    Patrik fragte sich, von welchem Spiel das jetzt wieder ein Teil darstellte. Die Kinder spielten ständig. Alles nur ein Spiel für sie – und das nahmen sie sehr ernst. Vor einer Weile waren sie zwei Wochen lang Astronauten gewesen, mit allem, was dazugehörte. Mit Monstern und Außerirdischen, die besiegt werden mussten, mit fremden Planeten, die es zu erobern galt und selbstverständlich auch mit einem Raumschiff, das den Funkkontakt zur Erde verlor. Die Astronautennahrung hatte natürlich aus Keksen bestanden.
     
     
    „Was willst du denn mit Schneebeeren?“, fragte Patrik gut gelaunt.
     
    Die drei Kinder ignorierten ihn.
     
    „Mach das nicht!“, sagte Lotta beinahe drohend zu Sarah.
     
    „Genau!“, fügte Martha scharf hinzu, „Du wirst das schön bleiben lassen!“
     
    Sarah senkte den Kopf und sah sie eingeschnappt an. Aber sie schien sich geschlagen zu geben, denn als Lotta sich in Bewegung setzte, marschierte sie widerstandslos mit.
     
    Patrik hatte immer Angst, wenn die Kinder draußen herumstromerten. Er hätte es ihnen gerne verboten, doch auf diesem Ohr waren sie taub und er konnte sie schlecht an irgendetwas hindern. Er wusste nicht, wo sie hingingen, wenn sie ‚einkauften’, vermutete aber, der Besitzwechsel von Keksen hatte nichts mit ‚Kaufen’ zu tun. Er fürchtete stets, man würde sie erwischen und einfangen, ihm wegnehmen und in ein Heim bringen. Und selbst wenn sie nicht stehlen würden, ihr blondes Haar, ihre erschreckende Ähnlichkeit – viel zu auffällig, um unbemerkt zu bleiben. Patrik hatte es vor langer Zeit aufgegeben, um sich selber Angst zu haben, er fürchtete sich nicht mehr vor Kälte, Tod oder Schmerzen, aber er hatte Angst, die Kinder kämen eines Tages von einem ihrer Ausflüge nicht mehr zurück.
     
    Die beiden Mädchen zogen los und auch Martha ließ ihn wieder allein. Sie verschwand hinter der Schiebetür und ein leises und unverständliches Stimmengemurmel umfing ihn. Er schloss die Augen und ließ die Zeit vergehen.
     
     
     
    Lotta und Sarah waren seit fast einer Stunde fort, als ein unbekanntes Geräusch durch die leeren

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