Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fieber an Bord

Fieber an Bord

Titel: Fieber an Bord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
hielten, rief: »Da kommen jetzt welche, Sir.«
    Die stumpfe Lethargie und die Trägheit verschwanden, als sich jeder an seinen ihm vorausbestimmten Platz begab, mit angespanntem Gesicht seine Waffe bereithielt.
    Herrick beobachtete die Eingeborenen, die im Gänsemarsch, einer hinter dem anderen, durch eine schmale Rinne auf der anderen Seite des Berges schnell zum Wasser hinunterstapften. Sie verschwendeten nicht einen Blick an ihre verstümmelten Opfer, die in der glühenden Sonne verrotteten, sondern eilten weiter in das seichte Wasser bei den Felsen, wo Herrick mit seinen Leuten ans Land gekommen war.
    Pyper sagte: »Sie suchen nach dem Boot.«
    Herrick nickte. Pyper hatte recht. Er erinnerte sich an den Anblick der verbrannten Boote des Dorfes, ihre einzige Möglichkeit, andere Inseln zu erreichen, Handel zu treiben. Sich zu rächen. Oder um zu entkommen.
    »Sie müssen wieder in ihrem Dorf gewesen sein. Das bedeutet, daß die Piraten fort sind. Wahrscheinlich lag die ganze Zeit über ein Boot für sie vor der Küste.«
    Herrick konnte seine Erbitterung nicht verbergen. Während die Tempes t um die Landzunge gekreuzt und in die Falle gegangen war und er und seine Leute um ihr Leben gekämpft hatten, führten die Piraten ihren wohldurchdachten Plan aus. Zwar war es ihnen nicht gelungen, die Fregatte zu versenken, aber sie hatten gezeigt, was sie mit nur einer Handvoll Männer ausrichten konnten.
    Er sah, wie sich das Langboot in der Brandung träge hob und senkte, wie das Wasser seine Bodenbretter überflutete, während die Eingeborenen es in das seichte Wasser zogen und schoben.
    Herrick versuchte nicht hinzuhören, wie einem anderen Mann Wasser gegeben wurde. Er beobachtete die Eingeborenen, wußte, daß er etwas unternehmen mußte, und zwar bald. Die Nacht war, von den Insekten abgesehen, erträglich verlaufen. Nach den Schrecken des Tages, dem hemmungslosen Abschlachten von Finneys Männern, ihrer eigenen verzweifelten Lage, war der einzige, alles beherrschende Wunsch, in einen erschöpften Schlaf zu versinken.
    Aber wie die Erinnerung an den Freund aus seiner Kindheit am Ufer des Medway kamen Bedrohung und Gefahr mit der Morgendämmerung wieder. Sie hatten keine Verpflegung mehr und nicht genug Wasser für einen weiteren Tag. Wenn sie die Mulde verließen, um nach einem Tümpel zu suchen, würden sie entdeckt werden.
    Im Verlauf der Nacht hatte Prideaux bemerkt: »Die Tempest wird nicht kommen. Der Kapitän wird glauben, daß wir tot sind. Und wir werden sterben.«
    Herrick hatte sich so heftig von ihm abgewendet, daß sie seither kaum noch miteinander gesprochen hatten. Und als sich ihre Blicke im ersten Morgenlicht begegneten, nachdem sie die leere See abgesucht hatten, fand Herrick bei Prideaux den gleichen Vorwurf, die gleiche Verachtung.
    Er hörte den Korporal sagen: »Es ist alle, Kamerad. Siehst du? Leer!«
    »Barmherzige Mutter Gottes! Die Schmerzen! Helft mir!« Herrick verdrängte die Worte aus seinem Bewußtsein und beobachtete die geschäftigen Gestalten um das auf den Strand gezogene Langboot. Er glaubte, durch die Bordwand Wasser zu sehen. Das war nicht allzu schlimm. Nicht so, wie wenn der Boden eingedrückt wäre.
    Er wälzte sich herum und stützte sich auf einen Ellbogen, ignorierte seine ausgedörrte Kehle, seine aufgesprungenen Lippen. Gestern morgen war er von diesem Strand mit neunundzwanzig anderen, ohne Finneys Leute zu zählen, abmarschiert. Fünf waren tot, vier schwer verwundet. Kaum einer hatte ohne eine Schramme oder Prellung, die an den Kampf erinnerte, den Tag überlebt.
    Er nahm sich der Reihe nach jeden einzelnen vor. Manche waren fast am Ende, kaum noch fähig, eine Muskete zu halten. Andere lagen hohläugig und verzweifelt an ihren Plätzen, betrachteten den Himmel über dem Rand ihres heißen Gefängnisses. Pyper sah erschöpft aus. Aber er war jung, kräftig wie ein Löwe. Prideaux schien als einziger von allen unberührt zu sein.
    Herrick seufzte und richtete seine Aufmerksamkeit auf das Boot. Bis dorthin war es eine halbe Kabellänge über offenes Gelände. Wenn sie bis zur Nacht warteten, war das Boot wahrscheinlich fort, besonders wenn die Eingeborenen beabsichtigten, die anderen Inseln zu alarmieren.
    Er stellte sich vor, wie sie den Abhang hinunterstürmten, den Vorteil ihrer günstigeren Position nutzten und sich den Weg zum Boot freischossen und freischlugen. Dann dachte er an die anderen, die zu geschwächt oder zu schwer verletzt waren, um sich aus eigener

Weitere Kostenlose Bücher