Fiebertraum
führte sie um das Haus herum nach hinten, zu seinem eigenen Eingang und öffnete das Vorhängeschloß mit einem Schlüssel, der an einer Kette um seinen Hals hing. Er hatte drei Zimmer für sich alleine im Bedienstetentrakt des Hauses. Er zerrte Emily ins Schlafzimmer. »Steig aus den Kleidern«, zischte Sour Billy.
Das Mädchen schickte sich an zu gehorchen, beobachtete ihn jedoch mit angsterfüllten Augen.
»Schau mich nicht so an«, sagte er. »Du gehörst Julian, ich werd’ mich an dir nicht vergreifen. Ich sorge für heißes Wasser. In der Küche steht eine Badewanne. Du wäscht dir den Schmutz vom Leibe und ziehst dich dann an.« Er öffnete einen Kleiderschrank aus reich geschnitztem Holz und zog ein dunkles Brokatkleid heraus. »Da, das dürfte passen.«
Sie atmete zischend ein. »So etwas kann ich nicht tragen. Das ist nur etwas für eine weiße Lady.«
»Halt den Mund und tu, was ich dir befehle«, meinte Sour Billy. »Julian möchte, daß du schön aussiehst, Mädchen.« Dann verließ er sie und ging in den Hauptteil des Hauses.
Er fand Julian in der Bibliothek, wo er in der Dunkelheit in einem hohen Ledersessel lehnte, ein Brandyglas in der Hand. Um ihn herum und mit Staub bedeckt standen die Bücher, die einmal dem alten Rene Garroux und seinen Söhnen gehört hatten. Keines war in den Jahren angefaßt worden. Damon Julian war keiner von denen, die viel lesen.
Sour Billy trat ein und hielt sich in respektvoller Entfernung und schwieg, bis Julian das Wort ergriff.
»Nun?« fragte endlich die Stimme aus der Dunkelheit. »Viertausend«, sagte Sour Billy, »aber sie wird Ihnen gefallen. Sie ist jung, hübsch und zart, schön, wirklich bildschön.«
»Die anderen werden bald hier sein. Alain und Jean sind bereits da, diese Narren. Der Durst quält sie. Bring sie in den Ballsaal, wenn sie soweit ist.«
»Ja«, sagte Sour Billy hastig. »Es gab Ärger bei der Auktion, Mister Julian.«
»Ärger?«
»Ein kreolischer Angeber namens Montreuil. Er war auch scharf auf sie, es gefiel ihm gar nicht, überboten worden zu sein. Ich dachte mir, daß er vielleicht mißtrauisch wird. Er ist ein Spieler und treibt sich viel in den Spielsalons herum. Soll ich mich irgendwann einmal abends eingehender mit ihm befassen?«
»Erzähl mir von ihm«, befahl Julian. Seine Stimme war wohltönend, weich und tief und ausdrucksvoll, so vollmundig wie alter Cognac.
»Jung, dunkel. Schwarze Augen, schwarzes Haar. Hochgewachsen. Ein Duellant, wie erzählt wird. Ein harter Mann. Stark und gewandt, aber er hat ein hübsches Gesicht, wie man es bei vielen von der Sorte finden kann.«
»Ich werde mich um ihn kümmern«, sagte Damon Julian. »Ja, Sir«, sagte Sour Billy Tipton. Er wandte sich um und kehrte auf seine Zimmer zurück.
Emily war wie verwandelt, als sie in das Brokatkleid schlüpfte. Sklavin und Kind verschwanden; gewaschen und entsprechend angezogen, war sie eine Frau von dunkler, nahezu ätherischer Schönheit. Sour Billy betrachtete sie eingehend. »So ist es gut«, meinte er. »Komm, du gehst auf einen Ball.«
Der Ballsaal war der größte und prachtvollste Raum des Hauses, erleuchtet von drei riesigen Kandelabern aus geschliffenem Glas, an denen jeweils hundert Kerzen brannten. Flußlandschaften, mit kräftigen Ölfarben gemalt, hingen an den Wänden, und der Fußboden bestand aus herrlichem polierten Holz. An einem Ende des Raums öffneten sich breite Doppeltüren zu einer geräumigen Vorhalle; am anderen Ende schwang eine breite Treppe sich nach oben und zur Seite, deren Geländer im Kerzenschein glänzte.
Sie warteten schon, als Sour Billy sie hereinführte.
Neun von ihnen waren anwesend, Julian selbst eingeschlossen; sechs Männer, drei Frauen, die Männer in dunklen Anzügen von europäischem Schnitt, die Frauen in hellen Seidenkleidern. Außer Julian warteten sie auf der Treppe, reglos und schweigend, respektvoll. Sour Billy kannte sie alle: die blassen Frauen, die sich selbst Adrienne und Cynthia und Valerie nannten, der dunkle hübsche Raymond mit dem jungenhaften Gesicht, Kurt, dessen Augen wie glühende Kohlen brannten, all die anderen. Einer von ihnen, Jean, zitterte unmerklich, während er wartete, die Lippen gespannt, so daß sie seine langen weißen Zähne freigaben, die Hände fahrig und zuckend. Der Durst hatte ihn schlimm gepackt, aber er unternahm nichts. Er wartete auf Damon Julian. Sie alle warteten auf Damon Julian.
Julian schritt durch den Ballsaal auf das Sklavenmädchen Emily zu.
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