Fiebertraum
sachte.«
»Sie treiben ein gefährliches Spiel«, warnte Montreuil. »Wissen Sie, wer ich bin? Wenn Sie ein Gentleman wären, dann würde ich Satisfaktion von Ihnen fordern, Sir.«
»Duelle sind verboten, Montreuil«, erwiderte Sour Billy. »Haben Sie das noch nicht gehört? Und überdies bin ich kein Gentleman.« Er wandte sich zu dem Terzeronenmädchen um, das vor der Hotelmauer stand und ihren Disput verfolgte. »Komm«, forderte er sie auf. Er ging den Gehsteig hinunter, und sie folgte ihm.
»Dafür werden Sie noch büßen, Monsieur! « rief Montreuil ihm nach.
Sour Billy kümmerte sich nicht darum und bog um eine Ecke. Er ging eilig, und sein Schritt wurde zu einem Stolzieren, wie man es in der Französischen Börse nicht hatte beobachten können. Es waren die Straßen, wo Sour Billy sich zu Hause fühlte; dort war er aufgewachsen, dort hatte er es gelernt zu überleben. Das Sklavenmädchen hastete, so gut es ging, hinter ihm her, wobei ihre nackten Füße auf die Ziegel des Gehsteigs klatschten. Die Straßen des Vieux Carré waren mit Ziegel- und Stuckhäusern gesäumt, jedes mit einem kunstvollen schmiedeeisernen Balkon versehen, der den Gehsteig überschattete und den Eindruck von Eleganz vermittelte. Aber die Straßen selbst waren ungepflastert, und die letzten Regengüsse hatten sie in einen einzigen großen Schlammsee verwandelt. Entlang der Gehsteige verliefen offene Abflüsse, tiefe Gräben zwischen den Zypressen, in denen das Wasser stand und nach Moder und Abfall stank.
Sie eilten an schmucken kleinen Läden und Sklavenställen mit massiven Gittern vor den Fenstern vorbei, an eleganten Hotels und verrauchten Kneipen, die von selbstbewußten freien Negern bevölkert wurden, vorbei an engen, feuchten Gassen und großzügigen Höfen mit ihren Brunnen und Wasserspielen, passierten hochmütige Kreolenladies mit ihren Begleitern und Anstandsdamen und eine Gruppe von geflüchteten und wieder eingefangenen Sklaven in Halseisen und Ketten, die die Abflüsse unter dem wachsamen Blick eines Weißen mit harten Augen und einer Peitsche am Gürtel säuberten. Kurz darauf ließen sie das Französische Viertel ganz hinter sich und gelangten in den primitiveren, neueren amerikanischen Teil von New Orleans. Sour Billy hatte sein Pferd dort vor einer Kneipe angebunden. Er schwang sich in den Sattel und befahl dem Mädchen, neben ihm herzulaufen. Sie verließen die Stadt in südlicher Richtung und bogen schon bald von den Hauptstraßen ab, legten nur einmal eine kurze Rast ein, so daß Sour Billy seinem Pferd etwas Ruhe gönnen und selbst etwas von dem trockenen harten Brot und Käse in seiner Satteltasche essen konnte. Er ließ Emily Wasser aus einem Bach trinken.
»Sind Sie mein neuer Massa, Sir?« fragte sie ihn dann in bemerkenswert gutem Englisch.
»Aufseher«, antwortete Sour Billy. »Du wirst Julian heute abend kennenlernen, Mädchen. Wenn es Nacht ist.« Er lächelte. »Er wird Gefallen an dir haben.« Dann hieß er sie, zu schweigen.
Da das Mädchen zu Fuß war, kamen sie nur langsam voran, und die Abenddämmerung senkte sich schon herab, als sie die Julian-Plantage erreichten. Die Straße folgte dem Lauf des Bayou, eines versumpften Flußarms, und wand sich durch ein Wäldchen mit dicht zusammen stehenden Bäumen, deren Äste sich unter dem Gewicht des Spanischen Mooses bogen. Sie umgingen eine hohe, kahle Eiche und gelangten hinaus ins freie Feld, das vom Licht der untergehenden Sonne in rötlichen Schein getaucht war. Die Felder erstreckten sich vom Flußufer bis hin zum Haus und lagen brach oder waren von Unkraut überwuchert. Es gab ein altes, vermodertes Anlegefloß und einen Holzplatz am Flußufer für vorbeifahrende Dampfboote und hinter dem Haus eine Reihe Sklavenbaracken. Aber es gab keine Sklaven, und auf den Feldern war schon seit einigen Jahren nicht mehr gearbeitet worden. Das Haus war weder so groß, wie Plantagenhäuser gewöhnlich sind, noch war es besonders prächtig; es war ein schlichter kantiger Bau aus von der Witterung grauem Holz, von dem überall die Farbe abblätterte, und das einzige Auffällige daran war ein hoher Turm mit einer Witwengalerie.
»Wir sind zu Hause«, sagte Sour Billy.
Das Mädchen fragte, ob die Plantage einen Namen habe.
»Früher mal«, meinte Sour Billy, »vor einigen Jahren, als sie noch Garroux gehörte. Aber er wurde krank und starb, er und seine guten Söhne, und jetzt hat sie keinen Namen mehr. Aber halt lieber den Mund und spute dich.«
Er
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