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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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zwei Minuten später passierte ein fremder Dampfer, der nach Natchez unterwegs war, die Fiebertraum und steuerte auf sie zu und gab einen tiefen Dreiklang-Pfiff aus seiner Pfeife ab. Die Eli Reynolds antwortete, doch ihr Ruf klang so dünn und schwach, verglichen mit dem wilden Schrei der Fiebertraum , daß es Marsh mit tiefem Unbehagen erfüllte.
    Er hatte erwartet, daß die Fiebertraum sie weit hinter sich lassen würde, aber so war es nicht. Die Eli Reynolds dampfte zwei Stunden lang in ihrem Kielwasser stromabwärts. Sie verloren das größere Schiff ein halbes Dutzend Male an Flußbiegungen aus den Augen, holten jedoch stets nach wenigen Minuten wieder auf, so daß der Blickkontakt wiederhergestellt wurde. Der Abstand zwischen den beiden Raddampfern vergrößerte sich, jedoch nur so unwesentlich, daß es sich kaum lohnte, es zu erwähnen. »Wir laufen mit voller Kraft und beinahe höchster Geschwindigkeit«, sagte Marsh zu Kapitän Yoerger, »aber die, sie schleichen nur. Wenn die nicht in den Red River abbiegen, machen sie vermutlich im Bayou Sara halt. Dort holen wir sie ein.« Er lächelte. »Günstig, nicht wahr?«
    Mit ihren achtzehn Kesseln, die es zu heizen galt, und einer ganzen Menge an Schiffsmasse, die bewegt werden mußte, verbrauchte die Fiebertraum enorm viel mehr Holz als ihr kleiner Schatten. Sie machte mehrmals halt, um Holz zu laden, und jedesmal kam die Eli Reynolds etwas näher, obgleich Marsh sorgfältig darauf achtete, daß sein Lotse mit Viertelkraft weiterlief, um den Seitenraddampfer nicht einzuholen, während er Holz aufnahm. Die Eli Reynolds selbst stoppte ein einzigesmal, um ihr fast leeres Hauptdeck wieder mit zwanzig Klaftern frisch gefällter Buche aufzufüllen, und als sie wieder in den Strom manövrierte, waren die Lichter der Fiebertraum nur noch als undeutlicher rötlicher Schimmer auf den schwarzen Fluten weit vor ihnen auszumachen. Doch Marsh ließ ein ganzes Faß Talg in die Feuerung schütten, und der plötzliche Hitze- und Dampfschwall ließ sie einen großen Teil des verlorenen Abstands schnell wieder aufholen.
    Unweit der Mündungszone, wo der Red River sich in den breiteren Mississippi ergoß, trennte die beiden Dampfer eine beruhigende Meile Abstand voneinander. Marsh hatte soeben eine frische Kanne Kaffee ins Ruderhaus gebracht und half dem Lotsen, sie zu leeren, als der Mann über das große Rad des Ruders hinwegblinzelte und meinte: »Sehen Sie sich das mal an, Cap’n, scheint so, als drückte die Strömung sie seitwärts weg. Denn an dieser Stelle wird der Fluß normalerweise nicht gequert.«
    Marsh setzte seine Tasse ab und beobachtete das Geschehen. Plötzlich schien die Fiebertraum schlagartig viel näher gerückt zu sein, und der Lotse hatte recht; er konnte einen Teil ihrer Backbordseite sehen. Wenn sie den Fluß tatsächlich nicht querte, dann waren wahrscheinlich die sich aus dem Nebenfluß ergießenden Fluten für diese Scherbewegung verantwortlich, aber er begriff nicht, wie ein halbwegs fähiger Lotse so etwas zulassen konnte. »Sie weicht vielleicht nur einem Hindernis oder einer Sandbank aus«, mutmaßte Marsh, aber seine Stimme klang nicht überzeugt. Während er hinübersah, drehte der Seitenraddampfer sich sogar noch weiter, so daß er praktisch quer zu ihnen lag. Er konnte die Lettern im Mondschein auf dem Radkasten lesen. Fast machte sie den Eindruck, als triebe sie steuerlos dahin, aber der Qualm und die Funken stoben noch immer aus den Schornsteinen, und nun kam sogar ihr Bug in Sicht.
    » Verdammt! « rief Marsh. Er fror plötzlich am ganzen Leib, als wäre er schon wieder in den Fluß gefallen. »Sie wendet. Verdammte Hölle! Sie wendet!«
    »Was soll ich tun, Cap’n?« fragte der Lotse.
    Abner Marsh gab keine Antwort. Er beobachtete die Fiebertraum , und sein Herz war von Angst erfüllt. Ein Heckraddampfer wie die Eli Reynolds hatte zwei Möglichkeiten, die Fahrtrichtung zu ändern, und beide waren ziemlich schwerfällig. Wenn die Fahrtrinne breit genug war, dann konnte sie ein weites U fahren, aber dazu waren viel Platz und sehr viel Schub nötig. Die andere Möglichkeit sah so aus, daß sie stoppte und ihr Schaufelrad andersherum laufen ließ, also rückwärts, um zu wenden, dann wieder vorwärts, um die Wende zu vollenden. Beide Manöver dauerten ziemlich lange, und Marsh wußte nicht einmal, ob sie an dieser Stelle wenden konnten. Ein Seitenraddampfer war da weitaus manövrierfähiger. Ein Seitenraddampfer konnte ein Rad rückwärts

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