Fiebertraum
Billy? Ich hatte dir doch befohlen, bei Joshua zu bleiben.«
»Ich muß Sie etwas fragen«, sagte Sour Billy. Er wiederholte alles, was Joshua York ihm erzählt hatte. Als er damit geendet hatte, wurde es in der Kabine sehr still.
»Armer Billy«, sagte Julian schließlich. »Du zweifelst, Billy, nach all der langen Zeit? Wenn du zweifelst, Billy, dann wirst du die Verwandlung niemals schaffen. Deshalb ist der liebe Joshua so verstört. Seine Zweifel haben ihn zu diesem Zustand verdammt. Er ist zur Hälfte Meister und zur Hälfte Vieh, verstehst du? Du mußt Geduld haben.«
»Ich will endlich damit anfangen«, beharrte Billy. »Mehrere Jahre bin ich jetzt schon bei Ihnen, Mister Julian. Jetzt, da wir den Dampfer haben, geht es uns besser als je zuvor. Ich will einer von Ihrem Volk sein. Sie haben es versprochen.«
»Das habe ich.« Damon Julian kicherte. »Na schön, Billy, dann wollen wir anfangen, ja? Du hast mir gehorsam gedient, und wenn du es dir sosehr wünschst, dann kann ich es dir nicht abschlagen, nicht wahr? Du bist so klug, daß ich dich auf keinen Fall verlieren will.«
Sour Billy traute seinen Ohren kaum. »Heißt das, Sie tun es?« Joshua York werden seine Worte noch furchtbar leid tun, dachte Billy aufgeregt.
»Natürlich, Billy. Ich habe dir ein Versprechen gegeben.«
»Wann?«
»Die Veränderung kann nicht in einer einzigen Nacht vollzogen werden. Es dauert einige Zeit, dich zu verwandeln, Billy. Jahre!«
»Jahre?« wiederholte Billy enttäuscht. Er hatte keine Lust, Jahre zu warten. In den Geschichten dauerte es niemals Jahre. »Ich fürchte schon. Genauso wie du vom Kind langsam zum Mann heranwächst, genauso verwandelst du dich ganz allmählich vom Sklaven zum Meister. Wir werden dich entsprechend ernähren, Billy, und aus dem Blut wirst du Kraft, Schönheit und Schnelligkeit gewinnen. Du wirst das reine Leben trinken, und es wird durch deine Adern fließen, bis du für die Nacht wiedergeboren wirst. Das kann nicht so schnell vollzogen werden, aber es ist möglich. Es wird so sein, wie ich es versprochen habe. Du wirst das ewige Leben erringen, und wirst Meister sein, und der rote Durst wird dich ausfüllen, dich treiben. Wir werden bald beginnen.«
»Wie bald?«
»Um anzufangen, mußt du trinken, Billy. Und dafür brauchen wir ein Opfer.« Er lachte. »Kapitän Marsh«, sagte er plötzlich. »Er wird für dich genau der Richtige sein, Billy. Wenn wir seinen Dampfer eingeholt haben, dann bring ihn her zu mir, wie ich es dir befohlen haben. Unversehrt. Ich werde ihn nicht anrühren. Er soll dir gehören, Billy. Wir fesseln ihn im großen Salon, und du trinkst von ihm, Nacht für Nacht. Ein Mann von seiner Größe verfügt bestimmt über eine Menge Blut. Er wird für lange Zeit reichen, Billy, und wird dir helfen, einen großen Teil der Verwandlung zu vollziehen. Ja, du wirst mit Kapitän Marsh beginnen, sobald er in unseren Händen ist. Fang sie, Billy! Für mich und für dich selbst.«
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
An Bord des Raddampfers Eli Reynolds Mississippi River, Oktober 1857
A bner Marsh verfolgte vom Ruderhaus der Eli Reynolds aus, wie die Fiebertraum sich anschickte, den Fluß zu queren. Er stampfte mit seinem Stock auf und fluchte halblaut, doch tief in seinem Innern war er sich gar nicht so sicher, ob er enttäuscht oder erleichtert sein sollte. Marsh wußte wohl, es hätte ihm das Herz zerrissen, miterleben zu müssen, wie seine Lady auf dem verdammten Riff strandete und unterging. Andererseits, nun, da die Fiebertraum immer noch hinter ihnen her war, würde Damon Julian ihm das Herz herausreißen, wenn sie die Eli Reynolds einholte. So oder so hatte er verloren. Marsh stand nachdenklich da, während der Lotse der Eli Reynolds ihr Ruder drehte und seinen eigenen Kreuzungskurs einschlug. Wie sie so in der Dunkelheit hinter ihnen herdampfte, bot die Fiebertraum einen furchteinflößenden Anblick. Marsh hatte sie bauen lassen, damit sie es mit der Eclipse aufnahm, also das schnellste Schiff war, das jemals unter Dampf gestanden hatte, und nun mußte er versuchen, ihr auf einem der ältesten und primitivsten Schiffe des ganzen Flusses zu entkommen. »Es hilft alles nichts«, sagte er laut und wandte sich an seinen Lotsen. »Wir befinden uns in einem Rennen«, sagte er. »Sorgen Sie dafür, daß wir nicht eingeholt werden.«
Der Mann schaute ihn an, als wäre er verrückt, und vielleicht war es das auch.
Abner Marsh begab sich hinunter auf das Hauptdeck, um
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