Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
Vom Netzwerk:
seinen Füßen begann das Deck, leicht zu vibrieren. Die Dampfpfeife gab ihren durchdringenden Ton von sich. »Wir legen ab«, sagte Marsh. »Ich muß gehen, Joshua. Es tut mir leid, daß ich Sie gestört habe, aufrichtig leid.«
    York nickte, wandte sich ab und schenkte sich noch einen Kelch von dem widerwärtigen Getränk ein. »Ich weiß.« Diesmal nippte er nur. »Gehen Sie«, sagte er. »Wir sehen uns heute abend zum Essen.« Marsh ging zur Tür, aber Yorks Stimme ließ ihn innehalten, ehe er die Tür öffnen konnte. »Abner.«
    »Ja?« fragte Marsh.
    Joshua York schenkte ihm ein fahles, dünnes Lächeln. »Schlagen Sie sie, Abner. Gewinnen Sie.« Marsh grinste und verließ die Kabine. Als er das Ruderhaus erreichte, hatte die Fiebertraum sich schon von der Anlegestelle wegbewegt und änderte die Drehrichtung ihrer Schaufelräder. Die Southerner war bereits ein Stück flußabwärts verschwunden. Im Ruderhaus drängte sich etwa ein halbes Dutzend dienstfreier Lotsen, sie unterhielten sich, kauten Tabak und schlossen Wetten darauf ab, ob sie das andere Boot einholten oder nicht. Selbst Mister Daly hatte seine Pause unterbrochen, um heraufzukommen und das Geschehen zu verfolgen. Die Passagiere ahnten ebenfalls, daß irgend etwas im Gange war; die unteren Decks waren dicht bevölkert, und alle drängten sich an die Reling und strebten zum Vorderdeck, um gute Sicht zu haben.
    Kitch ließ das große schwarzsilberne Rad rotieren, und die Fiebertraum schob sich hinaus in den Hauptkanal, glitt in die schnelle Strömung und folgte ihrer Rivalin. Kitch forderte von den Maschinen mehr Dampf. Whitey warf Pech in die Feuerungen, und sie lieferten den Leuten am Ufer ein Schauspiel, stießen dicke Wolken dichten schwarzen Qualms aus, als sie davondampften. Abner Marsh stand hinter dem Lotsen, stützte sich auf seinen Spazierstock und blickte blinzelnd voraus. Die Nachmittagssonne schien auf das klare blaue Wasser vor ihnen und erzeugte lebhafte Reflexe, die tanzten und schimmerten und in den Augen schmerzten, außer dort, wo die schäumende Flut von den Schaufelrädern der Southerner die Lichtstreifen in Tausende Feuerfunken geschlagen hatte.
    Für einen kurzen Augenblick erschien das Unterfangen einfach. Die Fiebertraum stürmte los und stieß Qualm und Funken aus, die amerikanischen Flaggen vorn und hinten flatterten wild, die Räder peitschten das Wasser in immer schnellerem Rhythmus, und die Maschinen dröhnten dumpf. Der Abstand zwischen ihr und dem anderen Raddampfer verringerte sich deutlich. Aber die Southerner war keine Mary Kaye , kein mickriger Heckraddampfer, den man ganz nach Belieben hinter sich lassen konnte. Es dauerte nicht lange, bis ihr Kapitän oder Lotse erkannte, was geschah, und die Antwort war eine schlagartige Steigerung des Tempos. Der Qualm wurde dicker und strömte auf die Fiebertraum zu, und ihre Heckwelle wurde noch wilder und angriffslustiger, daher mußte Kitch mit der Fiebertraum einen weiten Bogen schlagen, um sie zu meiden, wobei er die Strömung nicht mehr voll nutzen konnte. Der Abstand zwischen ihnen wuchs wieder und blieb dann konstant.
    »Bleiben Sie an ihr dran«, befahl Marsh seinem Lotsen, nachdem klar war, daß die beiden Raddampfer ihre Positionen hielten. Er verließ das Ruderhaus und machte sich auf die Suche nach Hairy Mike Dunne, den er schließlich auf dem vorderen Teil des Hauptdecks fand, wo er es sich gemütlich gemacht hatte, die Stiefel auf eine Kiste hochgelegt und eine dicke Zigarre im Mund. »Rufen Sie die Schauerleute und die Deckshelfer zusammen«, sagte Marsh zu dem Maat. »Sie sollen das Boot austrimmen.« Hairy Mike nickte und erhob sich, drückte seine Zigarre aus und begann zu brüllen.
    Wenig später hielt sich der größte Teil der Mannschaft hinten und an Backbord auf, um wenigstens teilweise das Gewicht der Passagiere auszugleichen, die sich nahezu vollständig vorn und an Steuerbord drängten, um sich das Wettrennen anzusehen. »Verdammte Passagiere«, schimpfte Marsh halblaut. Die Fiebertraum nun etwas besser ausbalanciert, holte allmählich wieder zur Southerner auf. Marsh kehrte in das Ruderhaus zurück.
    Beide Boote fuhren jetzt mit voller Kraft, und sie waren sich nahezu ebenbürtig. Abner Marsh rechnete sich aus, daß die Fiebertraum stärker war, aber das reichte nicht aus. Sie war mit Fracht schwer beladen und lag tief im Wasser und in der Heckwelle der Southerner , so daß die Wellen ab und zu über ihren Bug schwappten und sie leicht bremsten,

Weitere Kostenlose Bücher