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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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hinunter in den Maschinenraum.
    Die beiden Raddampfer jagten jetzt Bug an Bug dahin. Marshs Hand, mit der er seinen Spazierstock umklammerte, war schweißnaß. Unten diskutierten die Deckshelfer wahrscheinlich mit ein paar Reisenden, die sich auf die Schmalzfässer gehockt hatten und verscheucht werden mußten, ehe man das Schmalz zu den Feuerungen bringen konnte. Marsh brannte innerlich vor Ungeduld, genauso heiß, wie sein Schmalz bald brennen würde. Gutes Schmalz war teuer, aber auf einem Raddampfer erwies es sich als sehr praktisch. Der Koch konnte es verwenden, und es entwickelte eine verdammte Hitze, wenn es verbrannte, und genau das brauchten sie jetzt, viel heißen Hochdruckdampf, den das Holz allein nicht erzeugen konnte.
    Als das Schmalz ins Feuer gekippt wurde, war das im Ruderhaus nicht zu übersehen. Hohe weiße Dampfsäulen schossen aus den Ventilen, und Qualm wälzte sich aus den Schornsteinen; die Fiebertraum spuckte Feuer und erbebte heftig, und dann stampfte sie funkensprühend vorwärts, schnell wie ein Eisenbahnzug, und die Schaufelräder ließen mit ihrem rasenden Rhythmus das Deck tanzen. Sie entfernte sich von der Southerner , löste sich von ihr, und als der Abstand groß genug war, lenkte Kitch sie genau vor das andere Boot, damit es ihre Heckwelle abreiten mußte. Alle diese nichtswürdigen, ehrlosen Lotsen kicherten und verteilten untereinander Zigarren und schwatzten darüber, was für ein höllisch gutes Boot diese Fiebertraum war, während die Southerner hinter ihnen zurückblieb, und Abner Marsh grinste wie ein kleines Kind.
    Sie hatten volle zehn Minuten Vorsprung vor der Southerner , als sie in Cairo einliefen, wo sich die klaren Fluten des breiten Ohio mit dem schlammigen Mississippi vermischten. Zu diesem Zeitpunkt hatte Abner Marsh den kleinen Zwischenfall mit Joshua York schon fast vergessen.

KAPITEL SECHS
 
Julian-Plantage, Louisiana, Juli 1857
     
     
    S our Billy war vorn und schleuderte sein Messer auf den abgestorbenen großen Baum, der vor dem Kiesweg stand, als die Reiter sich näherten. Es war noch früh am Morgen, aber trotzdem schon heiß wie in der Hölle, und Sour Billy war in Schweiß gebadet und überlegte, ob er nach seinen Messerwerf-Übungen hinunter zum Fluß gehen sollte, um ein Bad zu nehmen. Dann sah er, wie die Reiter aus dem Wald auftauchten, wo die alte Straße eine Kurve beschrieb. Er ging hinüber zu dem toten Baum, zog das Messer aus dem Stamm und schob es wieder in die Scheide, die er auf dem Rücken an seinem Gürtel trug; er dachte nicht mehr daran, schwimmen zu gehen.
    Die Reiter näherten sich nur langsam, aber dafür dreist wie hohe Tiere, und ritten im hellen Tageslicht heran, als gehörten sie dorthin. Sie konnten unmöglich aus dieser Gegend stammen, dachte Sour Billy; sämtliche Nachbarn wußten genau, daß Damon Julian es nicht duldete, wenn jemand ohne seine Erlaubnis sein Land betrat. Als die Reiter noch zu weit entfernt waren, um etwas Genaueres erkennen zu können, überlegte Sour Billy, ob es nicht einige von Montreuils Kreolenfreunden waren, die herkamen, um Streit anzufangen. Wenn das der Fall wäre, dann würde es ihnen bald leid tun.
    Dann sah er, warum die Gruppe so langsam vorankam, und Sour Billy entspannte sich. Zwei Neger in Ketten stolperten hinter den beiden Männern auf den Pferden her. Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den Baumstamm, um die Besucher zu erwarten.
    Und richtig, sie hielten an. Einer der Männer zu Pferde schaute hinüber zum Haus mit seiner abblätternden Farbe und den halb verfallenen Eingangsstufen, spuckte eine Ladung Tabaksaft aus und wandte sich an Sour Billy. »Ist dies die Julian-Plantage?« fragte er. Er war ein massiger Mann mit gerötetem Gesicht und einer Warze auf der Nase. Gekleidet war er in stinkendes Lederzeug, und auf dem Kopf trug er einen zerknitterten Filzhut.
    »Das ist sie«, erwiderte Sour Billy. Aber er blickte an dem Reiter und seinem Gefährten, einem schlanken Jungen mit rosigen Wangen, der offensichtlich sein Sohn war, vorbei. Er ging hinüber zu den beiden verstört aussehenden Negern, die schwankend und unterwürfig in ihren Ketten dastanden, und Sour Billy lächelte. »Na so was«, meinte er, »wenn das nicht Lily und Sam sind. Hätte nie gedacht, daß ihr beide euch noch einmal hier blicken lassen würdet. Es dürfte an die zwei Jahre her sein, seit ihr weggelaufen seid. Mister Julian wird sicherlich erfreut sein, daß ihr zurückgekommen

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