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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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den neuesten Stand brachte. »Müssen Sie diese Arbeit unbedingt jetzt erledigen, Mister Jeffers?« fragte er.
    »Eigentlich nicht, Cap’n Marsh«, antwortete Jeffers. Er nahm die Brille ab und putzte sie mit seinem Halstuch. »Die sind für Cairo bestimmt.«
    »Gut«, meinte Marsh. »Dann begleiten Sie mich. Wir gehen an Land und erkundigen uns, wem all die schöne Ladung da draußen in der Sonne gehört und wohin sie transportiert werden soll. Ich schätze, sie soll nach St. Louis gehen, jedenfalls ein Teil davon, und vielleicht können wir daran ein wenig verdienen.«
    »Hervorragend«, meinte Jeffers. Er erhob sich von seinem Hocker, strich seinen feinen schwarzen Rock glatt, vergewisserte sich, daß der massive Stahlsafe verschlossen war, und griff nach seinem Stockdegen. »Ich kenne auch eine hübsche Kneipe in Paducah«, fügte er hinzu, als sie aufbrachen.
    Marshs Vorhaben erwies sich als gewinnbringend. Sie fanden den Tabakspediteur schnell und luden ihn in die Kneipe ein, wo Marsh ihn überredete, seine Waren der Fiebertraum anzuvertrauen, und Jeffers einen guten Preis aushandelte. Es dauerte zwar an die drei Stunden, aber Marsh war mit seiner Arbeit verdammt zufrieden, als er und Jeffers in den Hafen und zur Fiebertraum zurückschlenderten. Hairy Mike lungerte am Kai herum, rauchte eine schwarze Zigarre und unterhielt sich mit dem Maat eines anderen Dampfschiffes, als sie dort ankamen. »Das dort drüben ist jetzt unsere Fracht«, informierte Marsh ihn und wies mit seinem Spazierstock auf die Tabakballen. »Sag deinen Jungs, sie sollen alles schnell einladen, damit wir weiter können.«
    Marsh lehnte auf dem Kesseldeck an der Reling, dort wo es schattig und etwas kühler war, und schaute ihnen zu, wie sie sich mit den schweren Ballen abmühten, während Whitey die Kessel anheizte und für entsprechenden Dampfdruck sorgte. Durch Zufall entdeckte er auch noch etwas anderes: eine lange Schlange von Pferden gezogener Hotelwagen, die auf der Straße unweit der Landestelle warteten. Marsh beobachtete sie einen Moment lang neugierig, dann zupfte er sich an den Schnurrbartspitzen und kletterte zum Ruderhaus hinauf.
    Der Lotse genehmigte sich gerade ein Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee. »Mister Kitch«, wandte Marsh sich an ihn, »legen Sie nicht ab, bevor ich es Ihnen sage.«
    »Warum das, Cap’n? Sie ist fast beladen, und der Dampf hat den richtigen Druck.«
    »Schauen Sie mal hinaus«, forderte Marsh ihn auf und hob seinen Stock. »Die Gefährte dort drüben bringen Passagiere zur Landestelle oder warten auf deren Ankunft. Nicht unsere Passagiere, und außerdem warten sie nicht auf irgendeinen Heckraddampfer, der zufällig einläuft. Ich habe da so eine Ahnung.«
    Ein paar Augenblicke später bewahrheitete sich seine Ahnung. Unter dicken Dampfwolken, mit einer Fahne aus Qualm und Funken und schnell wie der Teufel den Ohio herunterrauschend kam ein langer, hocheleganter Raddampfer in Sicht. Marsh erkannte ihn sofort, noch bevor er seinen Namen lesen konnte; es war die Southerner von der Cincinnati & Louisville Packet Company. »Ich wußte es!« sagte er. »Sie muß Louisville einen halben Tag nach uns verlassen haben. Außerdem war sie schneller als wir.« Er trat ans Seitenfenster, schob die geschmackvollen Vorhänge beiseite, die die heiße Nachmittagssonne abhielten, und schaute zu, wie der andere Raddampfer einlief, festmachte und Passagiere aussteigen ließ. »Sie wird nicht lange brauchen«, meinte Marsh zu seinem Lotsen. »Sie hat keine Fracht ein- oder auszuladen, sondern nur Passagiere. Lassen Sie sie zuerst ablegen, verstanden? Lassen Sie sie den Fluß ein Stück abwärts fahren, dann ziehen Sie raus und folgen ihr.«
    Der Pilot verzehrte den letzten Bissen Kuchen und wischte sich mit der Serviette ein Stückchen Baiser aus dem Mundwinkel. »Ich soll also der Southerner einen Vorsprung lassen und dann versuchen, sie einzuholen? Cap’n, wir werden bis Cairo ihren Qualm atmen müssen. Danach werden wir sie sowieso aus den Augen verloren haben.«
    Abner Marshs Gesicht verfinsterte sich, als wäre dort ein drohendes Gewitter aufgezogen, das sich jeden Moment entladen konnte. »Was für einen Unsinn reden Sie da, Mister Kitch? Einen solchen Quatsch will ich nie mehr hören. Wenn Sie ein so schlechter Lotse sind, daß Sie das nicht schaffen, dann sagen Sie es nur, und ich werde Mister Daly aus dem Bett scheuchen und ihn herholen, damit er das Ruder übernimmt.«
    »Das ist immerhin die Southerner «,

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