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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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schien die Situation als Einzigen nicht besonders zu beunruhigen.
    »Ich dachte eher an ein Möbiusband, also eine Fläche ohne Kante.«
    »Ich glaube, du meinst eine Klein’sche Flasche«, korrigierte Poppy. »Ein Möbiusband hat durchaus Kanten. Jedenfalls eine.«
    »Er meint eine Klein’sche Flasche«, erklärte Julia.
    Wie gut, wenn man eine Halbgöttin als Streitschlichterin in der Runde hatte. Julia aß nicht mehr, setzte sich aber zum Abendessen immer noch zu ihnen.
    »Ist es eine Klein’sche Flasche? Weißt du das genau?«
    Julia schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, nicht.«
    »Du bist also nicht allwissend?«, fragte Eliot. »Ich will dich damit nicht kränken. Aber du bist dir wirklich nicht sicher?«
    »Nein«, erwiderte Julia. »Aber ich weiß, dass diese Welt ein Ende hat.«
    Am nächsten Morgen wurden alle früh geweckt, weil die
Muntjak
auf Grund lief.
    Es ruckte nicht so heftig, als seien sie gegen eine Wand gefahren, sondern es war eher ein fernes Schabegeräusch, erst leise, dann lauter, ein Knirschen wie Knochen auf Knochen, das sich über das gesamte Schiff verbreitete, einschließlich der Menschen, die langsam, aber unaufhaltsam, gegen die nächste Vorderwand rutschten, als das Schiff ganz zum Stillstand kam. Anschließend trat vollkommene Stille ein.
    Alle strömten in Hemd und Schlafanzug an Deck, um zu sehen, was passiert war.
    Die Stille war unheimlich. Das Meer lag still und glasig da wie frisch lackiert. Kein Lüftchen wehte. Ein Fisch sprang ein paar hundert Meter entfernt aus dem Wasser, und sie hörten das Platschen so deutlich, als ertöne es unmittelbar neben ihnen. Die Segel hingen schlaff herunter. Die geringste Bewegung auf dem Schiff ließ kleine Wellen in allen Richtungen gen Horizont laufen.
    »Scheiße«, sagte Eliot. »Und was machen wir jetzt?«
    Unwillkürlich dachte Quentin, wahrscheinlich nicht als Einziger, daran, dass sie schon lange mehr als die Hälfte ihrer Vorräte aufgezehrt hatten. Wenn sie nicht weiterfahren konnten, würden sie auf dem Heimweg sterben. Oder hier, an Ort und Stelle, gestrandet in einer Wasserwüste.
    »Ich werde mit dem Schiff reden«, sagte Julia.
    Wie zu der Zeit, als sie noch menschlich gewesen war, meinte Julia das, was sie sagte, stets absolut wörtlich. Sie stieg hinunter in den Frachtraum zum Herzen des Schiffes, wo sich das Uhrwerk befand, kniete nieder und fing an zu flüstern, hin und wieder innehaltend, um zu lauschen. Es war keine lange Konversation. Nach vier oder fünf Minuten tätschelte sie den dicken Fuß des Mastes und stand auf.
    »Es ist arrangiert.«
    Was genau arrangiert war oder wie, wurde nicht unmittelbar deutlich, aber schon bald darauf. Das Schiff löste sich vom Grund und nahm wieder Fahrt auf, als sei nichts geschehen. Die Ursache erfuhr Quentin erst, als er zufällig vom Heck aus ins Wasser schaute. Große alte Planken, Balken und diverse andere Holzteile schaukelten und kreiselten im Kielwasser hinter ihnen. Die
Muntjak
verkleinerte sich, baute sich vom Kiel aus um und ließ das überschüssige Holz auf ihrer Fahrt zurück. Sie gab für sie ihren Körper auf.
    Quentins Augen brannten. Was für eine Art Wesen war die
Muntjak
? Hatte sie Gefühle, oder war sie eine Art Mechanismus, eine künstliche Intelligenz aus Tauen und Holz? Wie auch immer – ihn erfasste eine Welle der Dankbarkeit und Betroffenheit. Sie hatten schon so viel von ihr verlangt!
    »Danke, altes Mädchen«, sagte er, nur für den Fall, dass sie oder es ihn hören konnte. Er tätschelte die verwitterte Reling. »Du hast uns noch einmal gerettet.«
    Je flacher das Meer wurde, desto mehr musste sich die
Muntjak
verändern. Quentin bat die Crew, das Faultier heraufzuholen, das sich an eine Rahe hängen ließ und an der frischen Luft gähnte und blinzelte. Sie leerten die Kajüten und den Frachtraum und stapelten alles rings um sich auf Deck.
    Es krachte und stöhnte unter ihnen in den Eingeweiden des Schiffes. Quentin beobachtete, wie das hohe, stolze Heck der
Muntjak
versank, dann der Bugspriet und das ganze Vorschiff. Gegen vier Uhr nachmittags kippte der Besanmast mit lautem Platschen ins Wasser und verlor sich achtern. Der Fockmast folgte am Abend. In dieser Nacht schliefen sie an Deck, vor Kälte zitternd unter ihren Decken.
    Als sie am Morgen erwachten, war das Meer so flach, dass sie darin waten konnten, und die
Muntjak
hatte sich in ein einmastiges Floß verwandelt. Der Rumpf war ganz verschwunden, und nur noch das

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