Film ab im Internat
meldet sich eine leise, vorwurfsvolle Stimme in Carlottas Hinterkopf. Hätte Mama uns damals nicht verlassen, wären wir noch eine glückliche Familie. Dann hätten wir diese blöden Probleme, wer wann bei wem das Wochenende verbringt, gar nicht erst. Dann wäre alles paletti und viel einfacher. Und schöner sowieso!
Sie bringt die nörgelnde Stimme zum Schweigen, klebt den Umschlag zu und seufzt noch einmal.
Allerdings wäre ich dann auch nicht im Internat, fällt ihr ein. Und Manu und Sofie hätte ich auch niemals kennengelernt. Und Jonas und Brendan. Und Niko …
Warum er wohl manchmal so traurig guckt? Bestimmt hat er ein Geheimnis. Oder ein tragisches Schicksal. Oder beides. In der Ausstellung am Sonntag präsentiert er großformatige Schwarz-Weiß-Porträts von Mitschülern. Lauter ernste, ausdrucksstarke Gesichter. Die Bilder passen gut zu Niko, hat Carlotta beim Betrachten der Aufnahmen gedacht. Und: Er versteht wirklich viel von Fotografie.
Sie knabbert nachdenklich an ihrem Füller, als plötzlich die Tür aufgerissen wird und Manu laut polternd ins Zimmer stürmt.
„Ich weiß was!“, ruft sie.
„Ui! Das sind ja mal gute Neuigkeiten!“, erwidert Sofie mit spöttisch hochgezogenen Augenbrauen. „Das kommt selten genug vor! Wollen wir feiern?“
Carlotta lacht.
„Später vielleicht“, sagt Manu und streift ihre Reitstiefel mit Hilfe eines Stiefelknechts ab. Sie kickt sie unter ihr Bett und wirft sich anschließend geräuschvoll auf die Matratze. „Es gibt krasse Neuigkeiten von Bella“, verkündet sie breit grinsend.
„Echt?“, fragt Carlotta. „Erzähl!“
Manu setzt sich gerade hin und stopft sich ein Kissen in den Rücken. „Hubertus, mein Reitlehrer, ist bestens über die bevorstehende Filmerei informiert“, berichtet sie. „Die Fernsehleute brauchen für die Dreharbeiten Ställe und Weideflächen und haben ihn deshalb angerufen.“
„Ist Bella so gigantisch, dass sie einen eigenen Stall und eine Weide braucht?“ Carlotta kichert. „Auf dem Bild, das neulich in der Zeitung war, sah sie eigentlich ganz normal aus.“
„Oh Mann, du hast echt keine Ahnung!“, schnaubt Manu. „Die bringen doch nicht nur Bella und ihr Double mit, sondern auch noch jede Menge andere Tiere. Natürlich brauchen die Platz, Futter, Wasser, Auslauf und alles.“
„Moment mal“, sagt Carlotta. „Die tolle Bella hat ein Double? Wieso das denn?“
„Bien sur!“, mischt sich Sofie ein. „Für gefährliche Szenen, in denen es um Kragen und Kopf geht, natürlich!“
„Es heißt Kopf und Kragen“, sagt Carlotta.
Manu nickt. „Oder wenn es um spezielle Kunststücke geht, die ihr Double-Hund besser kann als sie. Sich tot stellen, eine Rolle machen und solche Sachen.“
„Aha“, macht Carlotta. „Ein Hunde-Double … Was es nicht alles gibt!“
Manu ignoriert die leise Ironie. „Jedenfalls kommen die Filmleute in den nächsten Tagen nach Prinzensee und sehen sich schon mal alles an.“
„Und was ist mit dem Casting?“, fragt Sofie. „Wusste Hubertus darüber auch etwas?“
„Ach ja, das Casting …“ Manu macht eine wirkungsvolle Pause, indem sie in ihren Nachttisch greift, einen Schokoriegel hervorholt, ihn in extremer Zeitlupe auswickelt und schließlich genüsslich verspeist, bevor sie fortfährt. „Das Casting findet kommenden Samstag im Stadthotel in Bieneburg statt. Ab 9 Uhr kann man sich da irgendwo registrieren lassen. Hubertus meint, dass es den ganzen Tag dauert. Wir müssen also nichts überstürzen.“
„Wieso wir?“, erkundigt sich Carlotta. „Die Einzige, die da unbedingt mitmachen will, bist du!“
„Moi aussi!“ Sofie hebt einen Finger. „Ich auch!“
„Nee, oder?“, entfährt es Carlotta. „Echt jetzt?“
Sofie nickt energisch.
„Du machst natürlich auch mit, Carlottchen“, meint Manu, als sei das längst beschlossene Sache. „Es ist schließlich nicht gesagt, dass ich beim Casting durchkomme. Und falls nicht, muss einer von euch den Kontakt zu Urs Woelki für mich herstellen.“
„Bitte was?“ Carlotta schüttelt den Kopf, als hätte sie Wasser im Ohr.
„Klar“, nickt Manu. „Wir gehen da alle zusammen hin und bewerben uns gemeinsam. Eine von uns werden die garantiert nehmen. So groß ist die Auswahl in einem Kaff wie Bieneburg schließlich nicht. Und diejenige von uns, die die Komparsenrolle bekommt, macht sich an Herrn Woelki ran.“
„Vergiss es! Da mach ich nicht mit!“ Carlotta springt auf. „Ich will weder zum Film, noch hab ich
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