Filmwissen
behandelt hat. Arrius nimmt ihn, nachdem andere römische Schiffe sie aufgenommen und nach Italien gebracht haben, an Sohnes statt an. Juda Ben Hur wird zum geehrten und gefeierten Wagenlenker bei den berühmten Kampf-spielen.
In seine Heimat zurückgekehrt, springt Ben Hur für einen getöteten Wagenlenker ein, als er hört, dass Messala an dem angesetzten Rennen teilnehmen wird. Messala versucht mit allen Mitteln in einem auf Leben und Tod ausgetragenen Rennen seinen Widersacher zu bezwingen, doch am Ende ist er es, der aus der Kampfbahn getragen wird.
Ben Hur sammelt eine Armee, um dem «König der Juden», von dem er gehört hat, im Kampf gegen die römische Besatzung beizustehen. Er begegnet Jesus jedoch erst auf dessen Weg zur Kreuzigung, und dieser lehnt jede Hilfe ab. Doch er zeigt seine Macht, indem er die als Aussätzige aus dem Kerker entlassene Mutter und seine Schwester von ihrer Krankheit heilt.
Siegfried Kracauer hat den Film (und ein wenig wohl auch das ganze Genre) durch einen Vergleich mit Sergej Eisensteins Bronenosec Potemkin ( Panzerkreuzer Potemkin ; 1925) auf seinen Grundwiderspruch zwischen der Gigantomanie der Abbildung und der letztlichen Bedeutungslosigkeit der erzählten Geschichte hin kritisiert:
«Der Roman, der den Anstoß zu den Massenbildern gab, gehört zu jenen mittelmäßigen Werken, die durch ihr stark aufgelegtes Kolorit breite Schichten bewegen. Gerade noch durch den Aufwand mochte es gelingen, die Handlung für den Film zu retten. Eine geringere Quantität der Mittel, und man hätte eine der üblichen historischen Verfilmungen erhalten, die irgendein gleichgültiges Einzelschicksal in veralteten Trachten aufrollen. Durch den Zahlenrekord ist immerhin eine Prunkoper entstanden, die der Schaulust Genüge tut. Die Unzulänglichkeit des Gehalts legt einen Abgrund zwischen ‹ Ben Hur › und den ‹Potemkin › -Film. Hier geht es um die Wirklichkeit, die im ästhetischen Medium des Films getroffen wird, dort ist auf dem Grund eines welthistorischen Stoffes eine kleine Privatangelegenheit groß gemalt .»
Freilich entwirft Ben Hur , wie viele Antikfilme, doch auch neben dem Geschichtsbild ein politisches: Der Held ist das Gegenteil eines Revolutionärs, seine Motive bestehen zunächst aus nichts als persönlicher Rache, und so führt ihn sein Lebensweg wie die nahezu aller amerikanischen Helden eigentlich nur am Rande der Weltgeschichte entlang. Wo er sich einmal als historisches Subjekt erweisen will, da hindert ihn eine Wendung der Handlung daran. Und doch klärt er für sich die Fronten.
Aber Ben Hur ist auch der unbeugsame Individualist, der sich von Geschichte nicht korrumpieren lassen will, der sich dennoch zur politischen Tat durchringt, bevor er von Christus selbst davon entbunden wird. So ist Ben Hur im Kern das Drama des Bürgers, der nicht zur Geschichte kommen kann. Die Motive der Handlung heben sich beständig gewissermaßen gegenseitig auf und machen eine historische, politische Parteilichkeit unmöglich. Und doch erlauben sie ein sehr amerikanisches Ideal von der Beziehung zwischen Individuum und Geschichte zu entwerfen, nach dem Geschichte und Moral sich auf zwei verschiedenen Ebenen abspielen. So überlagern sich Geschichte und persönliches Schicksal zwar, bedingen sich aber nur bis zu einem gewissen Grad; das Abenteuer führt den Helden weg vom historischen Zusammenhang und nur zur eigenen Ganzheit. Das Glück liegt außerhalb der Geschichte, und auch die Religion wird in erster Linie als «Erlösung von Geschichte» begriffen. Zugleich versöhnt das Abenteuer (wenn es auch von tragischen Elementen durchzogen ist) den Helden (und das Publikum) mit der vom Christentum geforderten Passivität. Ganz folgerichtig steht am Ende nicht Triumph und Sieg, sondern die Wiedervereinigung der Familie. Insofern beschreibt Ben Hur vielleicht so genau die Grundlagen bürgerlich-puritanischer Weltsicht, wie Bronenosec Potemkin Grundlagen sozialistisch-revolutionärer Ideen verdeutlicht. (Und nicht zuletzt ist ein Spiegel beider Systeme, wie bei der Filmproduktion verfahren worden ist.)
Das «Weltbild» des Antikfilms verfestigte sich in der Folgezeit. Wo sich das private Schicksal nicht am Rande, sondern im Kern der historischen Entwicklung abspielt, wie in der Geschichte von Caesar und Cleopatra, da erschien diese selbst wie eine monumentale Spiegelung privater «Historien». Das Publikum allerdings erfuhr auf diesem Umweg über das Bild der Antike, die man gewissermaßen
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