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Geburt kümmert sich Annettes Mutter ganz besonders um ihre kleine Tochter und bemüht sich, ihr jeden
Schmerz zu ersparen. Sobald sie glaubt, die Schippe des kleinen Jungen im Sandkasten könnte auf dem Kopf ihrer Tochter landen,
geht sie lieber mit ihr nach Hause oder fängt einen Streit mit der Mutter des kleinen Raufbolds an. Sie will ihre Tochter
beschützen, aber leider lernt Annette so nicht, sich selbst mit anderen auseinander zu setzen.
Annettes Vater ist enttäuscht, da er gern einen Stammhalter gehabt hätte. Er glaubt allerdings in seiner kleinen Tochter ein
besonderes handwerkliches Talent zu erkennen und schenkt ihr zum Geburtstag statt der damals üblichen Puppe einen Baukasten.
Dass sie sich viel mehr über einen Roller gefreut hätte, bemerkt er nicht.
Annette hat Glück, alle vier Großeltern sind noch am Leben und oft in ihrem Elternhaus zu Gast. Die eine Großmutter träumte
als junges Mädchen davon, eine Primaballerina zu werden, doch in der Zeit des Zweiten Weltkrieges war das leichter gesagt
als getan. Es wurde nichts aus ihrem Traum. Dafür wünscht sie sich jetzt, ihre Enkelin an der Ballettstange und später auf
der Bühne zu sehen – im rosafarbenen Tutu, das sie ihr zum dritten Geburtstag schenkt. Annette hasst rosa und sie hasst Röcke,
aber ihrer Großmutter zuliebe zwängt sie sich in das unbequeme Kostüm und geht widerwillig in die Ballettstunden, die ihre
Großmutter ihr finanziert.
Der Großvater ist ein netter Mensch und verrückt nach seiner kleinen Enkeltochter, der er jeden Wunsch von den Augen abliest.
Bei ihm hat Annette das Gefühl, ganz sie selbst sein zu dürfen, deshalb verbringt sie viel Zeit mit ihm.
Annettes andere Großmutter ist eine patente Frau, die bis ins fortgeschrittene Alter eine eigene Gastwirtschaft in ihrem Heimatdorf
geführt hat. Sie war immer finanziell unabhängig von ihrem Mann, was zur damaligen Zeit einigermaßen ungewöhnlich war. |71| Ihre Großmutter wünscht sich für ihre Enkelin, dass sie später auf eigenen Beinen steht und dafür möglichst früh einen anständigen
Beruf lernt. Studieren hält sie für Zeitverschwendung. Annette bewundert sie sehr und ist schon früh bemüht, ihren Ansprüchen
gerecht zu werden.
Der Mann dieser Großmutter war bis zu seiner Pensionierung Geschäftsführer eines großen Bauunternehmens. Auch er ist der Meinung,
dass Annette eine gute Ausbildung braucht, dazu aber auf jeden Fall ein Studium machen soll, weil man sonst auf dem Arbeitsmarkt
keine Chancen hat.
Sechs verschiedene Menschen, sechs verschiedene Erwartungen an das kleine Mädchen und sechs verschiedene Verhaltensweisen
im Umgang mit ihr. Verstehen Sie nun, warum es sich lohnt, sich Ihrer Kindheit zuzuwenden, um Ihren Weg zu finden?
Ausgesprochene und unausgesprochene Botschaften und Erwartungen prägen uns unser Leben lang, ganz besonders in der Kindheit.
Sie verhindern, dass wir ungestört uns selbst entdecken können, während wir zu »vernünftigen Erwachsenen« werden.
Natürlich ist unser Verhalten zu einem Teil Veranlagung, aber es ist zu anderen Teilen auch geprägt von unserer Erziehung,
unseren Erfahrungen, unserem Umfeld und unserem Schicksal. Ein Mensch wird von der ersten Sekunde seines Lebens an von seinem
Umfeld beeinflusst und entfernt sich dadurch mehr und mehr von seinem Kern. Wie die kleine Annette, die wie jeder von uns
– bewusst oder unbewusst – versucht, die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen und es dabei natürlich nicht allen recht
machen kann. Am wenigsten sich selbst.
Jede neue Erfahrung bewirkt in einem Menschen eine veränderte Sicht auf die Welt, verändert sozusagen die Brille, durch die
er schaut. Und darauf bauen die meisten irgendwann die Entscheidung für einen Beruf auf.
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Was erwarten Ihre Eltern, Großeltern, Ihr Partner, Ihre Geschwister
und Ihre besten Freunde von Ihnen? Selbst als Erwachsene handeln
wir in vielen Fällen so, wie wir glauben, dass andere es von uns erwarten. Machen Sie sich bewusst, was die wichtigsten Menschen
in
Ihrem Leben von Ihnen erwarten und schreiben Sie es auf. Wenn sie es
nicht wissen oder nicht ganz sicher sind, fragen Sie nach.
Wem wird es wohl die kleine Annette recht machen? Beißt sie sich als einigermaßen begabte Ballerina bis zur Hochschule durch
(1. Großmutter) oder entscheidet sie sich für eine Ausbildung als Industriekauffrau und hat schon in jungen Jahren ein eigenes
Einkommen (2.
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