John Sincalir - 0971 - Ein Galgen für Morgana (3 of 3)
Von diesen Händen war das gleiche Licht aufgeflammt, das sie auch in den runden, pupillenlosen Augen gesehen hatte. Ein Licht, das sie nicht mochte, das ihr gefährlich geworden war, denn es hatte bei ihr für einen Blackout gesorgt und sie sogar von den Beinen gerissen.
Das sollte und durfte nicht mehr geschehen. Deshalb gab es nur eine Lösung. Der Mann mußte vernichtet werden. Zerstört, zerhackt durch das scharfe Beil. Sie war davon überzeugt, daß sie es schaffen würde, und sie freute sich darauf. Nicht grundlos zeigte ihr Gesicht diese wilde und diabolische Freude …
Der Mann merkte nichts.
Er war konzentriert oder in Gedanken versunken. Zudem hatte es Morgana Layton geschafft, sich lautlos zu bewegen, und zum Glück blieben die beiden Geisterjäger John Sinclair und Suko in der Hütte verschwunden.
Sie kannte auch den Grund, denn genau in dieser Hütte hatte sie einem ihrer Todfeinde, einem Vampir, mit dem Beil den Schädel abgeschlagen.
Morgana ging schleichend. Der rechte Arm mit dem Beil schwang bei jedem Schritt mit. Glücklicherweise schien keine Sonne. So konnte sich auch kein Strahl als Reflex auf der blanken Klinge verlieren.
Alles sprach im Moment für sie und gegen den Ahnungslosen. Eine innere Stimme trieb Morgana an, schneller zu gehen. Sie hatte es auch vor, denn sie traute der Gestalt im langen Mantel nicht über den Weg. Er schien leicht reizbar zu sein, und das wiederum konnte ihr auch nicht gefallen.
Drei Schritte noch, dann zwei.
Nur noch einer.
Sie blieb stehen.
Der Mann bewegte sich.
Er hatte etwas gehört und wollte sich zwangsläufig umdrehen.
In dieser Sekunde schlug Morgana Layton zu. Sie konnte ihm den Kopf nicht abschlagen, aber sie hämmerte ihm die scharfe Waffe in den Rücken …
*
Plötzlich steckte das Beil zwischen seinen Schulterblättern. Die Wucht riß ihn nach vorn, aber der Triumphschrei blieb Morgana Layton in der Kehle stecken, und wie von selbst rutschte ihr der Griff aus der Hand, als hätte jemand daran gezogen.
Die Werwölfin, in jetzt menschlicher Gestalt, sah genau die Lücke in der Kleidung, denn die Klinge hatte im Stoff einen klaffenden Spalt hinterlassen.
Nur quoll kein Blut daraus hervor. Und sie dachte auch daran, daß sie beim Auftreffen der Waffe ein ungewöhnliches Geräusch gehört hatte, nicht so, als ob sie einen Menschen getroffen hätte.
Da stimmte etwas nicht.
In der winzigen Zeitspanne hatte Morgana all diese Eindrücke aufgenommen und sie auch verarbeitet. Das Resultat sorgte bei ihr für ein leichtes Entsetzen. Zudem stakte die Gestalt weiter, als wäre nichts geschehen, und das Beil ragte aus ihrem Rücken wie eine mörderische Trophäe.
Morgana Layton, diese Mischung aus Mensch und Bestie, fühlte plötzlich sehr menschlich, denn sie war nicht in der Lage, etwas zu unternehmen. Sie starte auf den Rücken der schwankenden Gestalt, die ihren Oberkörper nach vorn gebeugt hatte, sich aber aufrichtete und dabei schüttelte.
Noch in der Bewegung drehte sie sich um!
Es ging schnell, aber der Vorgang spielte sich für Morgana Layton langsam ab. Sie nahm jede Einzelheit wahr, und sie beobachtete auch, wie der Kerl seinen rechten Arm herumschwang, um an das Beil zu gelangen.
Sie sah sein Gesicht. Diese dunkle Haut. Sie sah den Mund, breit und häßlich. Und sie sah auch die Augen, in denen wieder dieses helle Licht tanzte, das gar nicht hätte darin sein dürfen. Auch das Gesicht hätte nicht diese Glätte zeigen dürfen, denn diese Person hätte sich unter starken Schmerzen winden müssen.
Das alles stimmte nicht. Morgana Layton wurde klar, daß sie es mit einem ebenbürtigen Gegner zu tun hatte. Aber wieso paktierte er dann mit den beiden Geisterjägern?
Die Fragen wurden ihr durch die Handlung des anderen praktisch aus dem Kopf radiert, denn er hatte es geschafft, die seltsame Klaue um den Beilgriff zulegen.
Ein Ruck reichte.
Damit hatte er die Waffe aus seinem Rücken gezogen. Jetzt hielt er es in der Hand, und es war für Morgana einfach, sich vorzustellen, was er damit tun würde.
Killen!
Sie töten! Zerhacken, grausam sein. Ihr das Beil in den Schädel hämmern.
Das alles war ihr klar. Wie ein Foto stand die nahe Zukunft vor ihren Augen.
Jetzt bereute sie es, dem anderen nicht als echte Werwölfin gegenüberzustehen. Für eine Verwandlung jedoch war es zu spät. Das würde sie nicht mehr schaffen.
Er hielt die besseren Karten in seinen knollen- und wurzelartigen Händen.
Und er ging weiter.
Weitere Kostenlose Bücher