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Finnen von Sinnen - Finnen von Sinnen

Titel: Finnen von Sinnen - Finnen von Sinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Eilenberger
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Irgendetwas muss ich ja versuchen, um in diesem Land bei Verstand zu bleiben. Schließlich will ich hier leben.
     
    Aus finnischer Sicht wäre meine momentane Lage damit folgendermaßen zu beschreiben:
    Auf mir sind Durst, Hunger und Hitze sowie in wenigen Stunden eine Ehefrau, die derzeit aber neben mir liegt. Da hab ich mir ganz schön was aufgeladen. Vor allem jedoch habe ich den Fehler begangen, meine Frau sprachlich herauszufordern. Und wer im Glashaus sitzt, sollte im Keller scheißen. Das ist zwar kein finnisches Sprichwort, könnte aber eines sein. In jedem Fall ist es
nur noch eine Frage von Sekunden, bis das Fünfzehn-Fälle-Imperium mit aller Macht zurückschlägt.
     
    »Wolf, kannst du deiner Essensrede auch?«
    »Aber ja, Schöne. In- und auswendig.«
    »Sag dann noch mal!«
    »Schon wieder? Ich habe sie dir doch erst gestern Morgen drei Mal aufgesagt.«
    »Noch einmal. Kömm, das ist wichtig für meiner Verwandten, wenn die glauben, dass du kannst Finnisch. Geht alles besser dann.«
    »Also gut. Erst hält Aulis eine kurze Rede, richtig?«
    »Juu.«
    »Dann du auf Deutsch, und dann ich auf Finnisch.«
    » Juu . Sag mal jetzt, und nicht wieder so nüscheln!«
    »Süße, ich nuschel nicht.«
    »Auf Finnisch schon. Und der Partitiv vergesst du auch immer! Sagst du immer kahvi , und rosolli , klingt sehr unhöflich dann. Richtig blöd!«
     
    Der Partitiv, ach, wie konnte ich ihn nur vergessen! Kahvi-a muss es heißen. Und rosolli-a . Kahvi bedeutet Kaffee, und rosolli Rosolli - ein finnischer Salat aus gekochten Rotrüben. Das Rezept dafür ist - wissenschaftlich nachgewiesen! - mehr als zweitausend Jahre alt. So etwas macht natürlich Eindruck bei den deutschen Gästen. (Siegfried, probier mal, dieser Salat ist über zweitausend Jahre alt!) Dass rosolli dazu neigt, dem Eigenurin eine sattrote Färbung zu verleihen, wird meine Frau in ihrer deutschen Rede übrigens ausdrücklich
miterwähnen, andernfalls fänden sich die älteren Herren meiner Verwandtschaft am Tag nach dem Fest gewiss geschlossen auf den Fluren der urologischen Notaufnahme in Jyväskylä wieder. Und das muss ja nicht sein.
    Aber zurück zum Partitiv - dem zweifellos wichtigsten und tiefsten Fall des Finnischen. Bei Einladungen und Festmählern kommt er besonders häufig zum Einsatz. Denn beim Partitiv geht es um das Teilen - im weitesten Sinne.
    Mit der Frage » Haluatko kahvia ?« fragt ein gastgebender Finne nicht einfach, ob Sie gerne einen Kaffee trinken würden, nein, er erkundigt sich - und signalisiert es durch die a-Endung in aller wünschbaren Klarheit -, ob Sie von der weltweit verfügbaren Kaffeereserve eine unbestimmte Menge zu sich nehmen möchten.
    Sie denken jetzt wahrscheinlich, ich erkläre es schlecht. Aber das stimmt nicht. Es ist einfach sehr schwer zu begreifen. Was soll der explizite Verweis auf die globale Gesamtreserve? Versteht sich das nicht von selbst? Und was hat es mit der unbestimmten Menge auf sich? Nun, genau weiß ich es auch nicht. Ganz offenbar behält der Finne gerne das große Ganze im Auge. Für ein Hüttenvolk, dessen Dasein stets von einer Logik des Mangels geprägt war, wäre als Erklärung für den Partitiv möglicherweise an eine grundökologische Motivation im Sinne schonender Nachhaltigkeit zu denken, nach dem Motto: Bedenke, Kaffeetrinker, Kaffee ist endlich, du hast die Bohnen nur von deinen Kindern geborgt, und erst wenn die letzte Kaffeebohne gepflückt ist …

    Andererseits besteht der grammatische Witz dieses Falles ja gerade darin, dem Gast ein unbestimmtes, also nach oben offenes Kontingent Kaffee anzubieten. Und so wird es auf finnischen Familienfeiern meiner Erfahrung nach auch aufgefasst. Bei den Mengen, die Pias Tanten und Onkel jedes Mal in sich hineinkippen, hat man wirklich das Gefühl, es ginge darum, die vorhandene Weltreserve binnen weniger Stunden ein für alle Mal auszusaufen. Finnland ist übrigens seit Jahrzehnten die Nation mit dem weltweit höchsten Kaffeeverbrauch pro Einwohner.
    Aber natürlich bleibt das Mysterium des Partitiv nicht auf Kaffee beschränkt, sondern betrifft alles Essbare und manches mehr, auch Alkoholika. Gerade bei Hochprozentigem gilt es deshalb, die Ohren zu spitzen. Ein a mehr oder weniger, und das Kränzchen eskaliert zur Orgie. Am besten, Sie bieten Alkohol deshalb immer nur in klar abgefüllten Einzelflaschen an und befehlen: Ota olut! Nimm dies Bier! (Eine einzige Flasche → bestimmte Menge → kein Partitiv.) Es mag dann zwar sein, dass

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