Finnisches Blut
zweimal besucht worden war: Einmal von der SUPO aus und einmal von der finnischen Botschaft in Argentinien.
Ketonen bedankte sich für die Informationen und bat die
Spezialistin, wieder zu gehen. Ihr liefen die Tränen über die Wangen, als sie sich mit einem Inhalator ein Medikament in den Mund sprühte.
Tissari erhielt den Befehl, in Buenos Aires anzurufen. Dann bat Ketonen seine Sekretärin, ihn mit dem Chef des Operativen Stabs zu verbinden. Er glaubte nicht, daß Siren hinterlassen hatte, wo er sich befand, aber er wollte das zumindest überprüfen.
Das Telefon klingelte eine ganze Weile, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam. Schließlich meldete sich die Sekretärin, und Ketonen bat sie mürrisch, ihn mit Siren zu verbinden.
»Der General ist momentan auf einer Dienstreise. Kann Ihnen jemand anders helfen?« fragte die Frau in sehr resolutem Ton, der Ketonen nur noch mehr reizte.
»Es kann niemand anders helfen. Geben Sie mir die Nummer, unter der ich Siren erreiche.«
»Ja, es ist nun allerdings so, daß General Siren ausdrückliche Anweisungen getroffen hat, Auskunft über seinen Aufenthaltsort nur im Ausnahmefall und nur bestimmten Personen zu geben«, entgegnete die Sekretärin. Jetzt reichte es Ketonen. |318| »Nun hör mir mal sehr genau zu, meine Liebe, ich sage das nicht noch mal. Ich bin der Chef der Sicherheitspolizei, und meine Aufgabe besteht darin, solche Verbrechen zu bekämpfen, die die Sicherheit des Landes gefährden könnten. Jetzt ist etwas passiert, worüber ich sofort mit dem Chef des Operativen Stabs reden muß. Wenn du mir nicht augenblicklich oder noch schneller sagst, wo Siren ist, werden dich zwei meiner Männer hierherbringen, und dann wird diese Information aus dir herausgeholt, und die Zunge reißen sie dir auch noch raus. Hast du das kapiert!« brüllte Ketonen mit weit aufgerissenen Augen.
»Ja. Aber auch ich habe meine Vorschriften. Entschuldigung«, stammelte die Frau. Dann berichtete sie brav wie ein kleines Mädchen, daß Siren am vorhergehenden Abend nach London geflogen sei. Er wohne im »Park Lane Hilton«. Mit der Maschine seien außer ihm noch weitere Personen gereist.
Ketonen bedankte sich und wandte sich Tissari zu. »Schicke Wrede ins ‹Park Lane Hilton›. Sag ihm, er soll sich melden, wenn er Siren im Blickfeld hat.«
Ketonen überlegte, wie lange er diesen Druck aushalten würde, und tippte schon die Nummer von Brigadegeneral George Howell ein.
|319| 54
Fünf vor elf legte das Schnellboot vor dem Dorfladen von Sandnäsudd an. Parola hatte für die Rückfahrt weniger Zeit gebraucht, weil er die Strecke nun schon kannte.
Während Parola die Umgebung beobachtete, befestigte Leppä das Boot mit Seilen am Steg und nahm das Mädchen auf den Arm. Das Kind hatte die ganze Zeit fast bewegungslos im Boot gelegen und nicht einmal versucht, unter dem Klebeband auf seinem Mund etwas zu sagen. Leppä lief schnell zum Auto, er wollte dem Mädchen die Fesseln möglichst rasch abnehmen, damit das Kind nicht noch vor Angst einen Schock erlitt.
Parola öffnete die Türen des Saab mit der Fernbedienung, und Leppä setzte das Kind auf den Rücksitz und legte ihm den Sicherheitsgurt an. Gerade als er dem Mädchen vorsichtig das Klebeband vom Mund entfernte, hielt ein bis zum Verdeck mit Urlaubsutensilien beladener alter Ford Taunus mit einem deutschen Kennzeichen etwa zehn Meter entfernt von dem Saab.
Das bereitete Leppä überhaupt keine Sorgen. Er und Parola sahen wie ganz gewöhnliche finnische Männer mittleren Alters aus, obwohl sie bei der drückenden Hitze schwarze Kleidung trugen.
Aus dem Ford stieg ein Ehepaar aus: ein mittelgroßer, stämmiger Mann mit gerötetem Gesicht und dichtem Schnurrbart und eine kleine, kräftig gebaute Frau. Beide trugen ein T-Shirt mit der Aufschrift »OKTOBERFEST 1997, MÜNCHEN«. |320| Dem Mann hing eine Kamera auf dem Bauch, und die Frau trug eine Gürteltasche und hielt eine große Autokarte in den Händen. Sie schauten sich eine Weile verwundert um, stritten dann miteinander und zeigten zwischendurch mit dem Finger auf die Karte. Nach einem kurzen Disput ging der Mann in aller Ruhe auf den Saab zu, und die Frau folgte ihm.
Parola und Leppä legten gerade ihre Rucksäcke in den Kofferraum, als sie sahen, wie das Paar auf sie zukam, offensichtlich um nach dem Weg zu fragen.
»Das wäre eine echte arische Amazone für dich«, flüsterte Leppä.
»Mir ist alles recht. Und alle, die bei Bewußtsein geblieben sind, haben sich hinterher
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