Finnisches Blut
befindet.«
»Wer hat gesprochen und was?«
»Namen wurden nicht erwähnt, aber wenn der Mann am Telefon Ratamo war, dann hat die Organisation des Anrufers seine Tochter gekidnappt. Sie haben für zwölf Uhr ein Treffen in Hernesaari, an der Spitze der Insel, vereinbart. Ratamo will hingehen und die Formel für das Gegenmittel übergeben.«
»Schick eine Streife hin, die prüfen soll, ob er noch in der Kaufhalle ist. Hat man sonst noch etwas Wichtiges besprochen?«
»Nein«, sagte der Diensthabende und hörte, wie Metso das Gespräch beendete.
|327| Kari Metso hatte in ein Wespennest gegriffen, als Parola früh angerufen und von der laufenden Operation Ratamo berichtet hatte. Als Vizechef der Aufklärungsabteilung war Metso der Vertreter des verschollenen Vairiala. Allerdings hielt der alle Fäden in der Abteilung so straff in der Hand, daß Metsos Aufgaben seit einigen Jahren nur in reiner Verwaltungsroutine bestanden. Er hatte von ganzem Herzen gehofft, daß Vairiala wieder auftauchen und die Operation zu Ende führen würde. Es kam jedoch ganz anders. Vor ein paar Minuten hatte man das verlassene Auto von Parola und Leppä auf dem Parkplatz des Dorfladens in Sandnäsudd gefunden. Die beiden Männer waren spurlos verschwunden, sie hatten überraschend mitten im Einsatz den Kontakt zur operativen Zentrale abgebrochen. Metso hatte die Reservegruppe mit dem Hubschrauber hingeschickt. Auch Vairiala war immer noch verschwunden, und ausgerechnet jetzt tauchte nach wie vor Ratamo auf. Metso hatte bei der Sekretärin Sirens dreimal eine Bitte um einen Rückruf hinterlassen, aber vom Chef des Operativen Stabs war bisher nichts zu hören. Jetzt mußte er selbst Verantwortung tragen. Eine Krankschreibung wäre eine verlockende Alternative.
Der Wind frischte auf und wirbelte die Gardinen so durcheinander, daß Metso das Fenster schloß. Was sollte er mit Ratamo machen? Laut Parola hatte der Mann zwei Menschen ermordet und vielleicht auch Leppä und Parola umgebracht. Was geschah, wenn eine Weiterführung der Operation zu weiteren Todesopfern führte? Wie sollte er die Situation so klären, daß danach niemand seinen Kopf fordern würde? Metso dachte angestrengt nach. Er hatte nur zwei Alternativen. Entweder er ließ die Operation abblasen oder weiterlaufen. Wenn er die Operation abbrach, trug er die Verantwortung für die |328| Entscheidung. Wenn die Aktion nach Vairialas Anweisungen weiterlief, läge die Verantwortung wie bisher bei Vairiala.
Metso zündete sich zum Kaffee eine Zigarre an und wählte die Nummer der operativen Zentrale.
»Hier Metso. Ordne an, daß sich ein Kommando mit zwei Mann fertigmacht. Volle Ausrüstung für einen Zugriff. Ich komme sofort in den Bereitschaftsraum. Ist Rautio im Hause?«
»Ja, doch er gehört nicht zum Kommando.«
»Aber jetzt. Befiehl ihm, in den Keller zu kommen«, sagte Metso zum Diensthabenden und ging mit der Zigarre im Mund in Richtung erste unterirdische Etage des Generalstabs.
Ein großgewachsener Mann mit Bürstenhaarschnitt zog sich gerade die Kampfstiefel an, als Metso den Bereitschaftsraum betrat. Er fragte sofort, welchen Auftrag die Gruppe hatte.
Bevor Metso antworten konnte, ging die Tür auf und krachte gegen seine Fersen. Rautio betrat das Zimmer.
Metso hüpfte auf einem Bein wie ein Voodoo-Priester und schnauzte Rautio an: »Verdammt, du hast mir die Tür an die Füße geknallt.« Die Zigarre war auf den Boden gefallen, und Metso trat sie versehentlich aus.
»Was stehst du auch genau hinter der Tür. Außerdem habe ich den Befehl, daß ich jetzt gleich oder sofort hier sein soll.« Rautio machte einen übereifrigen Eindruck. Er wollte wissen, ob der Auftrag mit seiner Reise nach London zusammenhing.
Der Oberst informierte seine Männer, während Rautio den schwarzen, feuerfesten Nomex-Overall und die mit keramischen Platten verstärkte Bristol-Panzerweste überzog. Sie sollten sofort nach Hernesaari aufbrechen. An der Spitze der Insel, hinter dem Hubschrauberlandeplatz, fand um zwölf Uhr ein Treffen statt, an dem ein finnischer Mann um die Dreißig, ein sechsjähriges Mädchen und ein oder mehrere Vertreter der |329| Organisation, die das Kind gekidnappt hatte, teilnehmen würden. Der Auftrag des Kommandos bestand darin, den finnischen Mann zu verhaften. Ein Feuergefecht mußte vermieden werden. Metso ließ seine Männer das Foto von Ratamo so lange betrachten, daß sie die Zielperson garantiert erkennen würden. Dann steckte er es wieder in die
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