Finnisches Blut
Briefen?«
Plötzlich zuckte Vairialas Kopf, weil ein Muskel an seinem Hals verkrampfte.
Die Ärztin schaute nervös zu Ketonen, der mit versteinerter Miene dastand.
Vairiala schwieg einen Augenblick mit geschlossenen Augen, bevor er antwortete.
|312| »Du hast doch die Briefe selbst verfaßt. Du hast geschrieben, daß eigentlich gar keine Massenvernichtungswaffe mit dem Virus existiert. Der Zweck war es, die Käufer loszuwerden. Irgendein Idiot hatte angeblich …«
Ketonen war bestürzt. Vairiala hatte also doch die ganze Zeit die Wahrheit gesagt und glaubte wirklich, er, Ketonen, habe die Briefe geschrieben. Das bedeutete, er mußte die Briefe von jemandem erhalten haben. Oder hatte jemand die ihm übergebenen Briefe ausgetauscht? »Wann hast du die Briefe das letzte Mal gelesen?« Ketonen versuchte den Zeitpunkt des Austauschs der Briefe einzugrenzen.
»Na, Mensch, die habe ich ja wohl nicht gelesen. Wenn der Chef des Operativen Stabes mir Wort für Wort den Inhalt der Briefe nennt und sagt, daß er sie vom Chef der SUPO erhalten hat, dann ist für mich die Sache damit gebongt. Also verdammt noch mal …«
»Wer hat die Blutröhrchen, und wer hat die Formel für das Gegenmittel?«
»Na, also, Siren wollte, daß das Blut in die Schlapphutabteilung gebracht wird, und er hat ja die Formel, er hat sie die ganze Zeit gehabt. Wenn ich auch den Rest der Geschichte noch in Ordnung gebracht habe, dann sitzt du ganz schön in der Scheiße. Siren will weitersagen, daß du …«
Mit Ausnahme Vairialas, der vor sich hin plapperte, starrten sich alle anderen im Zimmer erstaunt an. Die fehlenden Teile waren nun gefunden und ergaben für Ketonen ein Gesamtbild. Er ließ seine Hosenträger los, so daß es knallte.
Siren! Siren besaß die Formel für das Gegenmittel. Siren hatte die Röhrchen mit dem Blut übergeben. Siren hatte Vairiala die Briefe überbringen lassen und ihm, was deren Inhalt anging, etwas vorgelogen. Siren mußte die Briefe auch verfaßt |313| haben. Es war Siren, der hinter allem steckte. Siren hatte Vairiala und ihn hin und her geschoben wie einen Wischmop. Ketonen mußte sich hinsetzen. So etwas war in der gesamten Nachkriegszeit nicht passiert. Ein General der finnischen Armee hatte sich eines ungeheuerlichen Verrats schuldig gemacht. Was war nur sein Motiv?
»Hat Siren noch andere Helfer?« fragte Ketonen.
»Kaum. Hör mal, ich erledige das …«
»Wo ist Siren?«
»Ich weiß nicht. Das letzte Mal habe ich ihn nachts über seine Sekretärin angerufen, und die hat nicht gesagt …« Vairiala erstarrte auf seinem Stuhl, das Geplapper brach ab. Mit weit aufgerissenen Augen sagte er: »Gebt mir Wasser, ich habe Durst. Mir ist übel.« Ungehemmt übergab er sich und erbrach den ganzen Mageninhalt auf den Fußboden.
Die Ärztin wischte Vairialas Gesicht ab und gab ihm Wasser zu trinken. Der Verhörte sah krank aus und wirkte lethargisch.
»Ich muß den Blutdruck messen. Der Mann sieht ganz blaß aus«, erklärte die Ärztin. Ihr Hemd war vorn völlig durchgeschwitzt, und ihre Hände zitterten.
»Es dauert nicht mehr lange«, sagte Ketonen. Er sah, daß er Vairialas Leben gefährdete, aber er war gezwungen weiterzumachen.
»Wer hat Manneraho und Ratamos Frau umgebracht?« fragte er.
»Als wüßtest du nicht, daß es Arto Ratamo war. Der Mann ist ja …«
»Welche Befehle haben deine Männer in bezug auf Ratamo?«
»Hoffentlich haben sie den Gangster schon gefaßt. Wenn er Schwierigkeiten macht, könnte es ihn das Leben kosten. Ich |314| habe schon stundenlang keinen Rapport bekommen. Ich muß anrufen …«
»Du hast also den Befehl gegeben, Ratamo zu verhaften?« fragte Ketonen sicherheitshalber nach. Auch er fühlte sich nicht gerade bestens. Der Gestank des Erbrochenen und der Schweißgeruch hingen in dem aufgeheizten Raum. Er spürte auch schon den Flüssigkeitsverlust.
»Dieser Idiot hat mit Manneraho zusammen versucht, die verdammten Viren zu verkaufen. Er ist uns schon zweimal entwischt, und deshalb habe ich den Jungs gestern gesagt, wenn die Sache noch mal schiefgeht, dann holen wir das Mädchen von der Insel …«
Ketonen schrieb schnell etwas auf einen Zettel und gab ihn Tissari. »Ruf diese Nummer an und frag, wo das Mädchen ist«, sagte er, und Tissari rief mit seinem Handy irgendwo an.
»Pekka. Hast du noch irgend ein anderes Geheimnis, das ich unbedingt wissen muß?«
Vairiala stierte Ketonen eine Weile mit seinem glasigen Blick an. »Das geht verdammt noch mal niemanden
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