Finnisches Blut
Gesichtsausdruck, was er vom Vorgehen der Männer hielt. Draußen heulte irgendwo die Alarmanlage eines Autos, er stand auf und schloß das Fenster.
»Habt ihr nicht mal gesehen, wer aus dem Auto gestiegen ist? Im Archiv finden sich Bilder von jedem Agenten, der in Finnland arbeitet.«
»Der Mercedes war zu weit weg. Zu Fuß wollten wir Ratamo nicht zu nahe kommen.«
»Na, und wo ist die Frau aus dem Stockmann? Oder ist das Fräulein den Herren auch entwischt?« spottete Vairiala.
Leppä und Parola wurden noch blasser, das reichte als Antwort. Vairiala lockerte seine unordentliche Krawatte und goß Mineralwasser in sein Glas. Siren war ein ausgesprochener Glückspilz, weil er alle anspruchsvollen Aufgaben an ihn weitergeben konnte, und er mußte sich dann damit herumschlagen. Wo sollte er anstelle dieser Tölpel wenigstens einen einzigen kompetenten Untergebenen finden. Er hatte nicht die Zeit, alles selbst zu machen.
|170| Leppä trug indes das nächste Plädoyer der Verteidigung vor. »Die Gruppe, die sich als Reserve bereithält, hat die Frau schon im Warenhaus aus den Augen verloren. Wir haben keinen blassen Schimmer, wer sie ist. Zum Glück habe ich wenigstens ein Foto gemacht. Nach der Art, wie sie verschwunden ist, zu urteilen, könnte sie gut ein Profi sein.«
»Na ja, das werden wir ja vielleicht niemals erfahren.«
Parola knirschte mit den Zähnen. Am liebsten hätte er gebrüllt, Bierernst solle doch seine Drecksarbeit selber machen, wenn er glaubte, er könnte es besser. Alle waren schon so in Rage, daß Vairiala versuchen mußte, seine Männer und vor allem sich selbst zu beruhigen. In dem Raum herrschte eine Hitze wie in einem Backofen. Er hätte gern das Fenster geöffnet, aber die Alarmanlage heulte immer noch. Die sengende Sonnenhitze drang herein. Vairiala zog die Gardinen zu, goß seinen Männern Wasser ein und beruhigte sich allmählich. Parola und Leppä hatten schon zuviel Zeit vertan. Ratamo mußte gefunden werden, bevor Siren ihn für einen totalen Stümper hielt. Er hatte jedoch Bedenken, seine Männer zu sehr unter Druck zu setzen. Überstürztes Handeln führte oft zur Fahrlässigkeit.
»Na gut. Vielleicht waren die Anweisungen, die ich gegeben hatte, zu streng. Ihr könnt künftig bei der Fahndung auch die Hilfe anderer und nicht nur der Reservegruppe in Anspruch nehmen.«
Vairiala starrte abwechselnd Parola und Leppä in die Augen. Zum fünften Mal innerhalb einer Minute schob er seine Brille zurecht. Das Ticken der Wanduhr beherrschte immer noch die Atmosphäre in dem Raum.
»Und macht diese Tussi aus dem Stockmann ausfindig, schaut unter jeden Stein, wenn es sein muß. Noch Fragen?«
|171| Die Männer schüttelten den Kopf.
In der Regel behandelte Vairiala seine Untergebenen schlechter. Aber diesmal wagte er es nicht, er wollte sie nicht zu sehr verärgern. Das könnte ihre Arbeitsmoral beeinträchtigen, und das wiederum schadete womöglich seiner Karriere. Die beiden saßen brav da und warteten auf seine Anweisungen. Wie sehr er doch die Macht genoß. Er dachte in aller Ruhe über die Lage nach. »Der Befehl war also klar. Da ihr, liebe Kollegen, aber nicht ganz perfekt seid, folgt jetzt ein ergänzender Befehl. Wenn ihr das nächste Mal Ratamo in Sichtweite habt und ihn nicht erwischt, dann beschafft ihr euch seine Tochter und erpreßt den Papi mit Hilfe des Kindes, so daß er auftauchen muß. Trotzdem bleibt der Befehl Nummer eins weiterhin gültig: Sucht Ratamo mit allen Mitteln! Raus!« Leppä und Parola verließen Vairialas Zimmer und hatten es dabei so eilig wie Landarbeiter auf dem Feld, die den Gong zum Mittagessen gehört haben. Als sie die Schlapphutabteilung verlassen hatten, schauten sie sich mit ernster Miene an und gaben sich die Hand.
»Verdammte Idioten. Als der Verstand ausgeteilt wurde, haben die sich als letzte angestellt«, schimpfte Vairiala. Die Entführung von Ratamos Tochter war ihm schon vorher durch den Kopf gegangen. Er hatte jedoch den Befehl, nach dem Kind zu suchen, nicht erteilt, weil er nur ungern ein kleines, sechsjähriges Mädchen schockieren wollte. Aber jetzt stand seine Karriere auf dem Spiel. Wenn Ratamos Kidnapper Blut mit Ebolaviren und das Gegenmittel in ihre Gewalt brächten, könnte sein Mißerfolg zu einer Katastrophe führen. Die Last auf seinen Schultern wurde allmählich zu schwer, er hatte Angst. Und wenn er nun gar nicht imstande war, zu verhindern, daß die Blutröhrchen mit dem Virus und das Gegenmittel in die falschen
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