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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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belaufen würde, also ging es bei der ersten Rate nur um ein paar Millionen Dollar. Das würde den vermögenden Terroristen nicht weh tun, ihm aber reichte es.
    Die Gründe für Sirens Bescheidenheit waren der Zeitmangel und Arto Ratamo. Er mußte so schnell wie möglich untertauchen |184| – und dafür brauchte er Geld. Zeit zu warten, daß der Käufer das Gegenmittel testete und den ganzen Kaufpreis bezahlte, hatte er nicht. Die erste Rate würde er schon sieben Stunden nach Ablauf der Frist für die Angebote erhalten – sobald sich der Käufer vergewissert hatte, daß das Virus wirkte. Und ob er die zweite Rate erhielt, war in jedem Fall unsicher. Da Ratamo immer noch lebte, war Siren gezwungen gewesen, in die Bitte um Angebote einen Punkt aufzunehmen, der besagte, daß der Käufer die zweite Rate nicht zu zahlen brauchte, falls auch andere über das Gegenmittel verfügten. Das könnte der Käufer in Erfahrung bringen, indem er das Virus versuchsweise einsetzte. Wenn die Terroristen annahmen, daß er versuchte, sie zu betrügen, hätte er sie auf dem Hals, und das wollte er vermeiden.
    Für seine Gesundheit war es hilfreich, wenn dem Käufer klar wurde, daß er ein glänzendes Geschäft gemacht hatte, auch wenn sich das Gegenmittel anderswo fände. Die erste Rate wäre ein Spottpreis für eine Massenvernichtungswaffe, selbst wenn das Gegenmittel weltweit in jeder Hausapotheke stünde. Ebola-Helsinki war dennoch eine schreckliche Waffe. Falls man gleichzeitig eine große Anzahl Menschen damit infizierte, wäre die Erkrankung Tausender Menschen, die sich in den ersten Tagen angesteckt hatten, schon zu weit fortgeschritten. Wurde das Ebola-Virus nach Ablauf der Inkubationszeit diagnostiziert, würde das Gegenmittel nicht mehr wirken.
    Siren fand es fast amüsant, daß die ernsthafteste Gefahr für die Zahlung der zweiten Rate von einem gewöhnlichen Zivilisten ausging. Ratamo war der einzige, der die Formel des Gegenmittels verraten könnte. Siren empfand so etwas wie Hochachtung für den zähen Wissenschaftler. Es erforderte von einem gewöhnlichen Sterblichen ziemlich viel Kampfgeist und |185| Willenskraft, sich im Alleingang gegen die Polizei und die Aufklärungsabteilung zu behaupten. Die Hinrichtung des Mannes mußte jedoch sichergestellt werden. Siren wollte Helsinki am Abend verlassen und konnte keinen Augenblick länger darauf warten, daß Vairiala Ratamo zu fassen bekam. Er war gezwungen, einen Profikiller zu bezahlen.
    Ein hellgelber Zitronenfalter landete auf Sirens riesigem Handrücken. Er schüttelte seine zerbrechlichen Flügel, faltete sie zusammen und blieb zitternd sitzen. Darin lag eine mythische Schicksalhaftigkeit. Siren erschien es so, als sei er auserwählt worden. Seine Selbstsicherheit kehrte zurück. Er vertraute auf seinen einfachen Plan. Wenn dessen Umsetzung im zeitlichen Rahmen verlief, könnte ihm ganz einfach niemand rechtzeitig auf die Spur kommen.
    Ein Bild einer jungen Frau am Meeresufer hatte auf seinem Schreibtisch einen Ehrenplatz. Siren nahm es in seine großen Hände und strich über den massiven Silberrahmen. Das blonde Haar und das rote Sommerkleid der achtzehnjährigen Siiri flatterten im Wind. Sie lächelte, es war das lebensbejahende Lächeln eines Mädchens, das gerade zur Frau geworden war. Siren beneidete seine Tochter. Seine eigene Ausgangsposition auf dem Weg zum Erwachsensein war viel schlechter gewesen. Er mußte ihr seine Geschichte erzählen, sobald er sich in Sicherheit befand. Das Telefon schrillte. Siren nahm den Hörer nicht ab, als er sah, daß der Anruf vom Verwaltungschef kam.
    Was machte Ketonen wohl gerade?

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    Jussi Ketonen ging auf dem Flur in der vierten Etage der Ratakatu 12 hin und her und entspannte seine Hände unter den Hosenträgern, Musti trottete neben ihm her. Er suchte jemanden, mit dem er sich unterhalten konnte. Büroarbeit mochte Ketonen nicht, und deshalb versuchte er immer, sein Zimmer zu verlassen und unter Menschen zu kommen, wenn die Situation das zuließ. Alle Räume auf dem Flur waren jedoch leer. Die Männer saßen bei Besprechungen oder befanden sich im Einsatz. Die Artikel zum Formel-1-Rennen in Belgien am Wochenende hatte er auch schon alle gelesen. Ihm fiel nichts ein, was er tun könnte.
    »Jussi! Telefon!« rief Ketonens Sekretärin am Ende des Ganges.
    Ketonen lief so schnell in sein Zimmer, daß die Schlüssel in seiner Tasche klirrten. Die alte Musti rannte ihrem Herrchen glücklich hinterher. Die Sekretärin

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