Finnisches Blut
betrachtete amüsiert, wie das Maskottchen der SUPO-Mitarbeiter ausgelassen den Flur entlangsprang. Schnaufend nahm Ketonen den Hörer ab. Das Übergewicht behinderte ihn jetzt schon bei normalen Bewegungen.
»Hier Raimo Siren, einen schönen guten Tag«, sagte der Generalmajor freundlich. Er hätte sich gewünscht, daß jemand Chef der Sicherheitspolizei wäre, mit dem man leichter umgehen konnte als mit Ketonen. Irgendeiner der zahlreichen |187| Jasager, die er kannte und die nicht imstande waren, selbst Entscheidungen zu treffen, sondern die Meinung der Autoritäten übernahmen. Jussi Ketonen war zu Sirens großem Ärger keiner von denen, die beim Skilaufen immer der Spur anderer folgten.
»Ich wollte dir für den Bericht von heute morgen danken. Der war viel umfassender als Vairialas Liste. Ich habe ihn Pekka gezeigt, und der hat verlegen gemurmelt, er werde die ihm unbekannten Namen auf deiner Liste überprüfen. Vielleicht hätte ich ihm nicht erzählen sollen, daß ich mich an dich gewandt habe, aber ich dachte mir, daß ihm ein kleiner Denkzettel nicht schaden kann. Da wird er künftig wohl etwas genauer arbeiten«, sagte Siren zum Schluß seiner Geschichte.
»Wir machen doch nur unsere Arbeit. Hat Vairiala noch mehr über diesen Schwarzhandel mit Waffen der russischen Armee gesagt? Wie du sicherlich bemerkt hast, habe ich diese Gerüchte nicht kommentiert. Es sieht nämlich ganz danach aus, als wäre das nur eine Ente. Ich würde gern erfahren, woher Vairiala solche Gerüchte gehört hat«, erwiderte Ketonen in scharfem Ton.
Siren erschrak. Ketonen durfte sich nicht zu sehr für die Sache interessieren. »Die ganze Geschichte ist vermutlich in der Tat nur eine Ente. Pekka meinte, seine Leute von der Aufklärung seien wahrscheinlich getäuscht worden. Aber ich verspreche, mich zu melden, wenn ich etwas höre. Ganz im Sinne einer Koordinierung«, sagte Siren und beendete das Gespräch, bevor Ketonen zu weit mit in dieses Durcheinander hineingezogen wurde.
Mit dem Anruf wollte er eigentlich vorsichtig sondieren, ob Ketonen seine Geschichte vom Vorabend glaubte, und sich vergewissern, daß der Mann keine übereifrigen Maßnahmen |188| ergriffen hatte. Es war ja auch nichts über den Entführer von Ratamo bekannt. Hinter Ketonens alltäglicher Wesensart steckte ein laserscharfer Verstand, Siren hatte schon vor Jahren gelernt, deswegen auf der Hut zu sein.
Ketonen hatte einen ruhigen Eindruck gemacht, aber seine Fragen bereiteten Siren Kopfschmerzen. Hatte Ketonen irgendeinen Verdacht? Siren dachte eine Weile darüber nach, kam aber dann zu dem Schluß, daß Ketonen niemand anderen verdächtigen könnte als Vairiala. Auch das war natürlich ein Risiko, würde jedoch kaum seinen Plan gefährden. Auf gar keinen Fall wollte er Ketonen noch mehr Lügen erzählen. Wenn man dessen Neugier zu stark reizte, würde er anfangen auszuspionieren, was Vairiala tat.
Ketonen saß entspannt in seinem Sessel und betrachtete den schönen alten Kachelofen. Im Winter ärgerte es ihn oft, daß er nicht mehr geheizt werden durfte. Trotz der Sanierung vor ein paar Jahren war das Zimmer bei starkem Frost zu kalt für seine alten Knochen. Er legte die Beine auf die Schreibtischkante und kämmte sich die grauen Haare aus der Stirn. Am Vormittag hatte er von seiner Organisation erfahren, daß die Aufklärungsabteilung Jagd auf Arto Ratamo machte, den man der Spionage und des zweifachen Mordes verdächtigte. Er wußte, daß der Mann an der Erforschung des Ebola-Virus beteiligt war, den man in Finnland gefunden hatte. Von einem Spionagefall war in der SUPO allerdings nichts bekannt. Das hielt Ketonen, der sich vollkommen auf das fachliche Können seiner Leute verließ, für merkwürdig. Und weshalb wollte Vairiala Siren weismachen, daß er russische Waffenschmuggler jagte? Ihm war nicht klar, was für ein Spiel Vairiala trieb. Ketonen steckte sich eine Zigarette an und bekam Gewissensbisse. In der Regel genehmigte |189| er sich nur sieben Zigaretten pro Tag, aber dies war schon die achte, und das am Nachmittag. Seit er gehört hatte, wie im gleichen Zusammenhang von Rußland und Viren gesprochen wurde, machte er sich Sorgen. Unter Nutzung von Viren konnten Biowaffen hergestellt werden, mit denen man zur globalen Kriegsführung fähig war, genau wie mit Kernwaffen. Trotz des internationalen Vertrags zum Verbot biologischer Waffen von 1972 hatte er immer den Verdacht gehabt, daß die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten über
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