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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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geheime Biowaffenprogramme verfügten. Die Großmächte waren gezwungen, mit der Entwicklung Schritt zu halten, weil von Zeit zu Zeit Problemstaaten auftauchten, die sich nicht um internationale Verträge kümmerten. Gegen Biowaffen, die sie entwickelten, mußte man sich verteidigen können.
    Sein Verdacht hatte sich als richtig erwiesen. Präsident Jelzin bestätigte nach seiner Machtübernahme, daß Rußland das geheime Biowaffenprogramm »Biopreparat« von der Sowjetunion geerbt hatte. Ab 1974 hatten ein Jahresbudget von mehreren Milliarden Rubel und über fünfzigtausend Mitarbeiter fast unbegrenzte Arbeitsmöglichkeiten garantiert. Im Laufe der Jahre waren Dutzende unterschiedliche Biowaffen entwickelt worden. Zu den schlimmsten gehörten die aus Milzbrand- und Pockenerregern und dem mit Ebola verwandten Virus Marburg hergestellten Pulver, die ihre tödliche Krankheit auf dem Luftweg verbreiten und in Gefechtsköpfen interkontinentaler Raketen eingesetzt werden konnten. Das genetische Meisterwerk von »Biopreparat« war eine äußerst infektiöse und tödliche Kombination von Ebola und Pocken.
    Nach dem Zerfall der Sowjetunion verließen viele Forscher von »Biopreparat« das Land und folgten dem Ruf des Geldes und besserer Lebensbedingungen. Die Nachrichtendienste |190| waren der Ansicht, daß auf diesem Wege Spitzentechnologie und Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Biowaffen nach dem Irak und Iran, nach China, Libyen, Syrien und Nordkorea, vielleicht auch nach Pakistan und Indien gelangten. Ketonen graute bei dem Gedanken, welche Zerstörung diese Staaten heutzutage herbeiführen könnten.
    Er drückte seine Zigarette aus, wischte sich den Schweiß vom Gesicht und trank ein Glas Wasser. Wenn es nach ihm ginge, dürfte die Hitzewelle zu Ende sein.
    Er glaubte nicht, daß Jelzin der Biowaffenentwicklung in Rußland ein Ende bereitet hatte. »Biopreparat« existierte immer noch. Es war heutzutage ein börsennotiertes Unternehmen, das sich auf die Herstellung von Medikamenten und die pharmakologisch-medizinische Forschung konzentrierte und mit seinen Tochterunternehmen zusammen fast einhunderttausend Menschen beschäftigte. Die Nachrichtendienste und die Experten für biologische Kriegsführung waren übereinstimmend der Auffassung, daß Rußland insgeheim, wenn auch in geringerem Maße, die Erforschung und Entwicklung von Biowaffen fortsetzte. Durch die betrübliche wirtschaftliche Lage sei das Land aber beinahe gezwungen, auf billige Biowaffen zu setzen. Ketonen überlegte, ob Putin »Biopreparat« endlich schließen würde.
    Vor Hunger knurrte ihm der Magen, der durch die Völlerei der letzten Zeit so sehr ausgeweitet war, daß er ständig Appetit hatte. Er nahm schon wieder einen Schokoladenkeks aus der Packung, die auf dem Tisch lag, steckte sich die Hälfte in den Mund und gab Musti den Rest. Die Biowaffen gingen ihm immer noch durch den Kopf. Zur Sicherung ihrer Existenz schienen Staaten genau der grauenhaften Brutalitäten fähig zu sein, die ihre Waffen ermöglichten. Und wofür das alles – für ein |191| tausendjähriges Reich? Nach Ketonens Ansicht genügten selbst geringe Geschichtskenntnisse, um zu beweisen, daß Staaten so sicher wie Ebbe und Flut entstanden, untergingen und neue Grenzen erhielten. Den Staaten fiel es leicht, brutal zu sein. Sie kannten kein Mitleid und keine Trauer. Und sie brauchten nicht auf den roten Knopf zu drücken – das mußten Hände tun. Für die Menschen war das Überleben fast genauso wichtig wie für Staaten. Deshalb gab es nur wenige Individuen, die lieber ihr Leben opferten, als auf den Knopf zu drücken. Um nicht zu töten, brauchte man oft mehr Mut als zum Töten, überlegte Ketonen. Jedenfalls war ihm klar, wohin solcher Mut führen würde, wenn er sich überall fände.
    Das entnervend laute Telefon schreckte Ketonen aus seinen Gedankengängen auf.
    »Hier Origo. Kann ich sprechen?« fragte Erik Wrede, der Oberkommissar, der in Ketonens Auftrag Vairiala observierte. Die SUPO-Mitarbeiter benutzten Codenamen, wenn sie am Telefon ohne Vermittlung der Überwachungszentrale über brisante Angelegenheiten sprechen mußten, und erwähnten gegebenenfalls, ob das Telefon abgehört werden konnte oder nicht. Wrede rief von einem GSM-Telefon an, das abzuhören war in Echtzeit praktisch unmöglich.
    »Ja.«
    »Die Zielperson hat den Chef getroffen. Sie hat angeordnet, daß ein Bote eine weite Reise unternimmt. Bekomme ich Anweisungen?«
    In der Leitung herrschte für

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