Finnisches Blut
einen Augenblick Stille, weil Ketonen nachdachte. »Wechsle die Zielperson, und finde den Grund für die Reise heraus«, sagte er schließlich.
Wrede bestätigte, daß er verstanden hatte, und beendete das Gespräch.
|192| Ketonen war zufrieden, daß Wrede zur Verfügung gestanden hatte. Mit zunehmendem Alter würde Wrede ein außergewöhnlich guter Ermittler werden, davon war Ketonen überzeugt. Der siebenunddreißigjährige Mann hatte in den letzten Jahren die meisten besonders anspruchsvollen Aufträge der SUPO ausgeführt und war schon jetzt praktisch der Ermittler Nummer eins der Abteilung für Gegenspionage.
Ketonen saß an seinem Schreibtisch, runzelte die Stirn und dachte eine ganze Weile darüber nach, was Vairiala wohl planen mochte – und an wen er selbst sich wenden müßte, um ein neues Telefon zu bekommen, das etwas leiser klingelte.
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Erik Wredes Gesicht brannte wie Feuer. Mit der einen Hand lenkte er sein Auto, in der anderen hielt er eine Plastikflasche und versuchte Nivea-Lotion herauszudrücken. Die Flasche rutschte weg, und Wrede fluchte. Er war vor zwei Tagen mit seiner Familie aus Madeira zurückgekehrt, wo es ihm wieder einmal geglückt war, sich einen Sonnenbrand zu holen. Der rothaarige Mann vertrug den Sonnenschein nicht. Zu seinem Pech waren in den letzten Tagen schattige Plätze auch in Helsinki Mangelware.
Wrede observierte Vairiala seit dem vorhergehenden Abend. Ketonen hatte ihn, ohne Gründe anzugeben, beauftragt, dem Mann überallhin zu folgen und zu berichten, was er tat und wen er traf. Wrede war überzeugt, daß der Chef des anderen einheimischen Nachrichtendienstes nicht wegen irgendeiner Kleinigkeit überwacht wurde. Vor einer Stunde hatte die Informationsquelle der SUPO in der Aufklärungsabteilung gemeldet, daß Vairiala bei Siren gewesen war, danach sofort etwas mit Hauptmann Rautio besprochen und ihn auf Dienstreise ins Ausland geschickt hatte.
Sowohl die Aufklärungsabteilung als auch die SUPO verfügten über ihre Informationsquellen in der anderen Organisation. Die Maulwürfe arbeiteten in unbedeutender Stellung, ihre Aufgabe war es nur, ganz allgemein über interne Ereignisse im Lager der Konkurrenz zu informieren, sie sollten nicht |194| etwa die Arbeit des Dienstes stören, bei dem sie beschäftigt waren. Der Informationsaustausch beruhte auf Freiwilligkeit und auf persönlichen Beziehungen, Geld wurde nicht gezahlt.
Wrede hatte Ketonen routinemäßig Rautios Auslandsreise gemeldet. Um ein Haar hätte er seine Zunge verschluckt, als Ketonen ihm befahl, statt Vairiala nun Rautio zu beschatten und herauszufinden, warum er ins Ausland geschickt wurde. Wrede hatte sofort seine Sekretärin angerufen und sie gebeten, Rautios Buchung zu ermitteln und auch für ihn ein Ticket für denselben Flug zu besorgen. Der SUPO stand ein ähnliches Flugreservierungssystem zur Verfügung wie auf Flughäfen. Darin fanden sich die Daten aller Flüge ab Helsinki-Vantaa und der Passagiere.
Sowohl die Aufklärungsabteilung als auch die SUPO besaßen sogenannte Blanko-Pässe, die bei brisanten Operationen im Ausland verwendet wurden, um Scheinidentitäten zu schaffen. In dem Paß waren Seriennummer und Name des Besitzers bereits eingetragen; nur das Foto des jeweiligen Benutzers wurde eingefügt. Wredes Sekretärin erfuhr von der Kontaktperson in der Aufklärungsabteilung, unter welchem Namen Rautio diesmal reiste.
Am Ende der Mäkelänkatu in Käpylä schloß Wrede das Fenster fast ganz, obwohl es im Auto heiß wie in einem Backofen war. Sein Gesicht brannte so, daß er am liebsten angehalten hätte.
Das Telefon klingelte. Seine Sekretärin teilte ihm mit, daß ein Ticket für den Flug AY835 um neunzehn Uhr dreißig nach London am Finnair-Schalter bereitlag und daß Rautio unter dem Namen Jari Tolsa reiste. Die Sekretärin hatte die unter Rautios Tarnnamen vorgenommene Buchung im Flugreservierungssystem schnell gefunden, weil im Falle von Auslandsreisen |195| Pässe und Tickets beim Abholen der Bordkarte kontrolliert und sowohl der Paß als auch die Bordkarte bei der Paßkontrolle überprüft wurden. Deswegen mußte die Buchung unter dem Namen vorgenommen werden, der im Paß eingetragen war.
Auf dem Flughafen stellte Wrede sein Auto auf dem Parkplatz für Langzeitparker ab. Als erstes hob er die Nivea-Flasche auf und cremte sein Gesicht ein. Rautio war er noch nicht begegnet, aber mit Hilfe von Fotos hatte er sich die Gesichter aller Agenten der Schlapphutabteilung
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