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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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ohne Jackett hob er sich in dem Hotel von den Geschäftsleuten in ihren schwarzen Anzügen ab wie eine Gans von einem Schwarm Wildenten.
    Der Flur in der fünften Etage war leer. An Rautios Zimmertür nahm Wrede die Faser aus dem Mund und brachte sie so am Türrahmen an, daß sie sich beim Öffnen der Tür bewegen würde.
    In seinem eigenen Zimmer zog er den Mantel aus, schaltete einen zigarettenschachtelgroßen Piepser ein, steckte ihn in die Tasche und kehrte ins Foyer zurück. Er wollte nicht in seinem Zimmer im siebenten Stock auf das Piepsignal warten, das der elektronische Sensor an Rautios Tür senden würde. Womöglich wäre Rautio eher unten als er und längst verschwunden, wenn er im Foyer ankam.
    |231| Wrede setzte sich in einen viktorianischen Ledersessel, von dem aus er sowohl die Türen der Aufzüge als auch den Ausgang des Hotels im Blick hatte. Die Bar und das Restaurant befanden sich direkt vor ihm. Drei Schönheiten in leuchtend roten Uniformen saßen in der Bar und unterhielten sich gutgelaunt. An ihren Uniformen erkannte er sie als Stewardessen der Virgin Airlines. Er musterte die Beine der Frauen und gelangte zu der Überzeugung, daß man sie nicht auf der Grundlage ihrer Zeugnisse eingestellt hatte.
    Gerade als er die »Daily Mail« auseinanderfaltete, gab der Piepser zwei kurze Hochfrequenzsignale. Kurz danach verließ Rautio den Aufzug, ging ins Restaurant und schaute sich genau um. Wrede war jedoch sicher, daß er ihn nicht erkannt hatte. Er wartete, bis man Rautio sein Essen servierte.
    An Rautios Zimmertür zog Wrede dünne weiße Baumwollhandschuhe an, nahm aus dem Etui einen als Kreditkarte getarnten Codeleser und schob ihn in das elektronische Schloß der Tür, das sofort aufschnappte. Nachdem er systematisch jeden Winkel des Zimmers durchsucht hatte, fand er im Kleiderschrank einen schwarzen Diplomatenkoffer. Er stellte ihn auf den Tisch, nahm aus seinem Etui einen elektronischen Dietrich und untersuchte den Koffer eine Weile. Es war gut möglich, daß er eine Alarmanlage besaß oder einen Sensor, der anzeigte, daß man ihn geöffnet hatte. Das Risiko mußte er jedoch eingehen. Zum Glück ließ sich das Schloß leicht öffnen, und ein Alarmsignal war nicht zu hören. In der Tasche befanden sich drei braune Briefumschläge im Format DIN A 4. Auf jeden war eine Londoner Adresse geschrieben, nicht aber der Name des Empfängers. Wrede war überzeugt, daß er gefunden hatte, was er suchte. Der obenauf liegende Brief zerriß nicht, als er die Klebefläche vorsichtig aufzog. Mit einer Minikamera |232| fotografierte er jede Seite aller drei Briefe. Dann nahm er aus seinem Etui eine kleine Tube, trug Leim auf und klebte die Briefe sorgfältig wieder zu. Er stellte alles wieder an seinen Platz, verließ den Raum unbemerkt und befestigte eine neue Faser am Türrahmen.
    In seinem Zimmer cremte Wrede sein brennendes Gesicht ein und setzte sich in den Sessel. Mit einem kleinen Lesegerät, das in die Augenhöhle paßte, las er auf dem Mikrofilm den ersten Brief: »Zum Kauf angeboten werden das Ebola-Helsinki-Virus (= Killervirus) und die Formel für das Gegenmittel. Der Virus tötet etwa 90 % der Infizierten, auch Menschen
.
« Wrede blieb der Mund offenstehen. Finnen boten den Killervirus zum Kauf an!
    Als sich der erste Schock gelegt hatte, wurde Wrede klar, daß er auf eine Goldader gestoßen war, den wahren Albtraum eines Nachrichtendienstes und den Traum eines Ermittlers. In Finnland hatte es vielleicht noch nie einen Betrug dieser Größenordnung gegeben. Das war die Chance seines Lebens. Obwohl die Initiative für die Observierung Vairialas von Ketonen ausging, war er es doch gewesen, der Rautio beschattet und die enthüllenden Schlüsseldokumente beschafft hatte, ohne das Risiko zu scheuen. Auch ihm würde Ruhm gebühren.
    Der Piepser gab ein Signal. Rautio war in sein Zimmer zurückgekehrt. Wrede zog den Mantel über, steckte die Mikrofilme und das Lesegerät in die Tasche und ging in Richtung fünfte Etage. Er mußte an Rautios Tür einen neuen Sensor anbringen. Danach würde er Ketonen anrufen, das wollte er jedoch nicht im Hotel tun. Es war praktisch unmöglich, Gespräche aus Telefonzellen zu überwachen oder zurückzuverfolgen, schon allein deswegen, weil es so viele gab.
    Eine echte britische rote Telefonzelle fand sich in der nahe |233| gelegenen Oxford Street vor dem Warenhaus Selfridge’s. Wrede wählte die Nummer der Überwachungszentrale der SUPO und setzte auf die Sprechmuschel

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