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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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des Hörers einen Mischer, der ein Ultraschallgeräusch aussendete. Der Filter in der Zentrale würde das Störgeräusch in dem ankommenden Gespräch eliminieren.
    Er schaute auf seine Uhr, drei Viertel zehn. In Finnland war es kurz vor Mitternacht.
    »Hallo, wie kann ich Ihnen helfen?«
    »A, zwei, zwei, Origo«, Wrede gab, wie von der Zentrale verlangt, den täglich wechselnden Code und seine eigene Kennung durch.
    Im Telefon knackte es.
    »Zentrale«, sagte der Diensthabende.
    »Hier Wrede. Ist Ketonen im Büro?«
    Der Chef war nicht da. Wrede sagte, es handle sich um die Alarmstufe Rot, Ketonen müsse in die Überwachungszentrale gerufen werden. Er würde in zwanzig Minuten wieder anrufen.
    Bei Stufe Rot, der allerwichtigsten, würde Ketonen so schnell wie möglich in die Ratakatu kommen. Er wohnte in Kruununhaaka, selbst zu Fuß wäre er in einer Viertelstunde im Gebäude der SUPO, überlegte Wrede. Er wollte seinen Bericht über eine Verbindung der Überwachungszentrale geben, die mit Sicherheit nicht abgehört werden konnte. Wredes Puls lag bei annähernd zweihundert, als in der Oxford Street ein heftiger Regenguß einsetzte.

|235| FREITAG
11. August

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    Nur das leise Plätschern der Wellen am Ufer störte die Stille auf der Insel Bastö. Das fahle Mondlicht sorgte für eine gespenstische Stimmung, und die Sterne leuchteten hell am Himmel. Die Nacht war so kühl, daß über der von der Tageshitze erwärmten Wasseroberfläche ein dünner Nebelschleier schwebte.
    Die federleichten Schritte auf den Dielen des Blockhauses waren fast lautlos. Am Bett endeten sie, eine Hand wurde ausgestreckt und zog Marketta Julin am Ärmel ihres Nachthemds.
    »Oma. Oma, kann ich zu dir kommen?« fragte Nelli, dem Weinen nahe. »Ich habe Angst.«
    Marketta Julin war bereits wach, sie hatte einen leichten Schlaf. »Natürlich, mein Schatz«, sagte sie, während Nelli schon zu ihr unter die Bettdecke kroch.
    »Warum kommt Mutti noch nicht?« fragte Nelli und schluchzte.
    »Mutti und Vati werden ganz bestimmt schon bald hier sein. Erwachsene haben eben manchmal noch so viel zu tun.« Marketta Julin strich über die langen Haare ihres einzigen Enkelkindes. Es war sehr schwer gewesen, nach der Nachricht vom Tod ihrer Tochter den ganzen Tag die Rolle der gutgelaunten Oma zu spielen. Nelli sollte jedoch die erschütterndste Nachricht ihres Lebens von ihrem Vater erfahren.
    Plötzlich sah Marketta ein Bild von Nellis drittem Geburtstag vor sich. Das Mädchen hatte von seinem Vater ein großes |238| Schaukelpferd geschenkt bekommen und wollte von da an nur noch schlafen, wenn das Holzspielzeug am Fußende ihres Bettes stand. Der Großmutter rollten Tränen über die Wangen.
    Nelli schnaufte schon und schlief tief. So einen guten Schlaf müßte man haben, Marketta Julin seufzte. Sie war voller Trauer und machte sich Sorgen um Nelli. Wie würde das Kind den Tod seiner Mutter verkraften. Sie wußte, daß die Erziehung eine große Bedeutung hatte, glaubte aber, daß letztlich jeder Mensch selbst entschied, wie er sein Leben gestaltete. Sie selbst hatte alles getan, um Kaisa beizubringen, daß nicht wichtig ist, was man sehen, sondern was man fühlen kann. Dennoch war Kaisa ein wenig oberflächlich geworden. Aber vielleicht sollte es auch nicht sein, daß man seinem Kind so etwas verständlich machen kann. Dann würden die Menschen ja aus den Fehlern der vorhergehenden Generationen lernen.
    Froh war sie darüber, daß sie sich in der letzten Zeit besonders oft mit Kaisa getroffen hatte. Natürlich war ihr nicht entgangen, daß es in der Ehe ihrer Tochter kriselte, und sie hatte Kaisa dazu bewegen wollen, vernünftig zu sein. Arto war anders als Kaisa. Der Junge hatte als Kind Schlimmes durchmachen müssen und wußte deshalb anscheinend die wahren Freuden des Lebens zu schätzen.
    Marketta Julin überlegte noch, ob sie ihre Tochter zu sehr verwöhnt hatte, dann versank sie langsam in der Dunkelheit.

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    Wrede war auf der Oxford Street zunächst zehn Minuten in Richtung Oxford Circus gegangen und kehrte nun zurück. Zum Glück war der Regenguß schon wieder vorbei. Mittlerweile hatte er sich von dem Adrenalinschock durch die Briefe erholt und sah nun auch die Kehrseite der Medaille. Die Gefahr des Einsatzes einer Massenvernichtungswaffe mußte verhindert werden, die Verantwortung lag bei der SUPO, und er stand im Zentrum des Geschehens.
    Die Oxford Street, eine Einkaufsstraße, in der es tagsüber von Menschen nur so wimmelte, lag

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