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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Schwiegermutter gegenüber zu optimistisch gewesen? In Wirklichkeit hatte er keinen Grund, hoffnungsvoll zu sein. Wahrscheinlich wurde er von zwei Nachrichtendiensten und der Polizei gejagt, und er hatte nur eine Journalistin auf seiner Seite.
    Ratamo holte die Weißbrotscheiben, die schon kalt geworden waren, aus dem Toaster und wollte gerade den Rest seines Frühstücks essen, als Pirkko fertig angezogen in die Küche trat.
    »Ich gehe jetzt zur Arbeit und komme irgendwann nachmittags zurück. Du darfst die Wohnung unter keinen Umständen verlassen. Außer wenn ich es dir sage. Ist das klar?«
    »Völlig klar.«
    »Laß das Handy eingeschaltet, aber rufe nirgendwo an. Der SVR kann das abhören«, sagte Pirkko und warf ihm eine Kußhand zu.
    Ratamo ging in den Flur und küßte Pirkko jetzt schon leidenschaftlicher als bei dem Guten-Morgen-Kuß.
    Pirkko mußte sich halb mit Gewalt aus seiner Umarmung befreien und betrachtete ihn mit einem Lächeln. »Ich gehe jetzt, bevor du wieder so wild wirst wie gestern. Halt, die Gardinen müssen noch aufgezogen werden. Hier ist es ja stockfinster.« |295| Pirkko lief ins Schlafzimmer und dann ins Wohnzimmer, sie hatte es so eilig, daß ihre Absätze auf dem Fußboden knallten. Sie zog die weißen Jalousien hoch. Das Sonnenlicht flutete herein. Dann ging sie weiter bis zur Wohnungstür und winkte ihm noch einmal zu. Ratamo kehrte in die Küche zurück, um die Reste seines Frühstücks zu essen. Der Bissen Toastbrot blieb ihm fast im Halse stecken, als ihm plötzlich klar wurde, daß er eben gerade Marketta mit dem Handy angerufen hatte. Hätte er das Pirkko sagen müssen? Wohl kaum. Schließlich hatte er nichts gesagt, was dem SVR von Nutzen sein könnte.
    Nach dem Frühstück schob sich Ratamo seinen vorletzten Priem unter die Lippe und ging unruhig in der Wohnung auf und ab. Er wollte sich nicht zu genau umsehen, denn er empfand sich schon deswegen als Eindringling, weil er allein in der Wohnung eines anderen war.
    Im Wohnzimmer blieb er stehen, weil er etwas Weiches unter seinem Fuß spürte. Er stand mit dem Rücken zu den großen Erkerfenstern und bückte sich, um Pirkkos Strumpf aufzuheben. Als er den Kopf hob, sah er vor sich an der Wand einen kleinen roten Fleck, der ein paar Sekunden später nach unten wanderte. Sein Gehirn gab ihm den Befehl, sich zur Seite zu werfen. Im gleichen Augenblick hörte er hinter sich das Klirren der zersplitternden Scheibe. Er kroch an die Wand unter den Fenstern neben den Heizkörper.
    Ein Laservisier. Warum zum Teufel hatte er das nicht sofort kapiert. Die Hundertstelsekunden, in denen er sich über den kleinen roten Punkt gewundert hatte, hätten ihn fast das Leben gekostet.
    Sie hatten ihn gefunden. Jetzt fing das wieder an! Die Angst nahm ihm den Atem wie ein enger eiserner Harnisch.
    Ratamo lag auf dem Fußboden und wagte nicht, sich zu |296| bewegen. Er durfte aber auch nicht hier liegenbleiben, weil es möglicherweise mehrere Schützen waren und einer von ihnen in die Wohnung kommen könnte. Da sie Schalldämpfer benutzten, würde sie niemand bemerken. Auch er hatte keinen Schuß gehört.
    Es gab nur einen Weg hinaus: Er mußte quer durch das Wohnzimmer in den Flur gelangen. Dann wäre er jedoch für die Schützen so leicht zu treffen wie ein Pappkamerad. Plötzlich fiel ihm die schußsichere Weste ein. Er robbte an der Fensterwand entlang ins Schlafzimmer, aber die Schränke standen weit entfernt auf der gegenüberliegenden Seite. Ratamo schaute sich um. Das Bett war so nahe am Fenster, daß er unbemerkt darunterkriechen könnte. Er legte sich auf den Bauch, streckte die Beine aus und glitt unter das Bett.
    Da nichts zu hören war, kroch Ratamo bis zum Rand des Bettes und so weit darüber hinaus, daß man ihn aus den Fenstern des gegenüberliegenden Hauses noch nicht sehen konnte. Gleich würde er eine lebende Zielscheibe sein. Er spürte, wie die Muskeln vor Entsetzen zuckten, aber es wäre Selbstmord gewesen, in der Wohnung zu bleiben.
    Ratamo riß die Schranktür auf, sprang hoch, stieß die Hand im oberen Fach bis ganz nach hinten und zog alles heraus. Als die Sachen auf das Parkett knallten, lag er schon wieder auf dem Bauch und kroch unter dem Bett an die Wand, wo er in Sicherheit war. Die Killer hatten zu wenig Zeit gehabt, um zu schießen.
    Die Weste lag weit von ihm entfernt halb unter dem Bett. Von draußen konnte man sie ganz sicherlich nicht sehen. Er wagte es jedoch nicht, hinzukriechen, weil er fürchtete, daß die

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