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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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USA schon vor Jahrzehnten begonnen hatte. Nach der Katastrophe durch den Undercoveragenten Donnie Brasco beschlossen die kriminellen Organisationen, mit den gleichen Mitteln zurückzuschlagen. Seit den siebziger Jahren hatten sie ihre eigenen Vertreter in die Bundesbehörden der Gesetzeshüter eingeschleust.
    »Ich bin die erste Frau als Vertreter der Familie Mitrano im FBI. Und auch sonst bin ich eine Pionierin. Man wird mich in Budapest zum ersten weiblichen Direktor einer ausländischen Niederlassung der Familie machen.«
    Es herrschte wieder Stille, die jedoch plötzlich vom Rauschen in Stangerups Sprechfunkgerät unterbrochen wurde, das auf dem Tisch lag. Eine Männerstimme fragte Stangerup etwas auf dänisch.
    Simmons nahm das Gerät, zog ihre Pistole, rannte zu Stangerup und zielte auf ihren Kopf. »Sag mit höchstens fünf Worten, daß alles in Ordnung ist. Ansonsten stirbst du jetzt. Dieser Herr hier ist ein Däne.« Simmons zeigte aufden Zweimetermann mit Igelhaarschnitt, der neben ihr stand.
    Stangerup überlegte einen Augenblick. »
Alt er o. k. Vent bare
«, sagte sie, vor Angst fast erstarrt.
    Ratamo fluchte im stillen über Stangerups Antwort. Fiel ihr nicht irgendein versteckter Hinweis auf ihre Lage ein. Er blickte seine Kollegin vielsagend an, aber Stangerup wich ihm aus. Zum Glück schien sich Simmons wieder zu beruhigen.
    Pastor saß gerade und still da. Für einen Gentleman war die Haltung eine Ehrensache. Man durfte ihm keine einzige Gefühlsregung anmerken. Die Magenschmerzen verschlimmerten sich, es fiel ihm schwer, noch zu warten. Er wünschte sich, daß er seine Rache schon jetzt genießen könnte. Aber der Sieg wäre nicht vollkommen, wenn er nicht warten konnte. Geduld war Gold wert: Wenn er am Morgen im Hotel nicht bereit gewesen wäre, Jugović anzuhören, hätte er nie erfahren, wer Drina und Hannele umgebracht hatte. Simmons wäre davongekommen wie ein Hund durch die Zauntür.
    Amerika war Pastor fast genauso zuwider wie die Europäische Union. Die Vereinigten Staaten waren das große Vorbild der Anhänger eines europäischen Bundesstaates. Man wollte aus Europa eine neue USA machen, die Vereinigten Staaten von Europa, obwohl der sterbende Riese USA bald an seiner eigenen Absurdität zusammenbrechen würde. Für ihn waren die USA ein abstoßendes Vorbild: Die größte Demokratie der Welt, in der von zwei Kandidaten derjenige zum Präsidenten gewählt wurde, der weniger Stimmen erhielt. Ein Rechtsstaat, in dem ein Mann, dessen Schuld durch eine DNA-Probe mit einer Sicherheit von praktisch hundert Prozent nachgewiesen war, aufgrund seiner Hautfarbe und seiner alten Verdienste im Sport freigelassen wurde. Ein Bildungsstaat, in dem es Millionen Analphabetenmit Schulabschluß gab. Ein Staat der Gesetzlichkeit, in dem der Umsatz der kriminellen Organisationen größer war als der Staatshaushalt, die Zahl der Morde die höchste in den westlichen Ländern und der Drogengenuß fast allgemein üblich. Ein Land der Menschenrechte, in dem der Staat seine Bürger hinrichtete, in dem die Rassentrennung erst in den sechziger Jahren beendet worden war, in dem Ärzte, die Abtreibungen vornahmen, verfolgt und ermordet wurden und in dem man Menschen zur Strafe öffentlich an den Pranger stellte. Ein Wohlfahrtsstaat, in dem fünfzehn Prozent der Einwohner unter der Armutsgrenze lebten. In den USA war tatsächlich jeder seines Glückes Schmied, aber nur wenige gelangten in die Schmiede.
    Es wäre ihm eine Freude, Simmons umzubringen. Das Schicksal hatte entschieden: Seine Rache würde noch süßer werden. Das ließ die Todesangst beherrschbar erscheinen.

54
    Höflichkeiten hingen noch wie ein feuchter Nebel in der Luft, als Mike Mitrano sich von Guido Padovani, dem EU-Kommissar für den Handel, verabschiedete und den Hörer auflegte. Er nahm Platz und schaltete das elektromagnetische Störgerät aus, das einem tragbaren CD-Player ähnelte. Es verwandelte alle elektronischen Signale in einem Radius von einigen Metern in ein undeutliches Summen und verhinderte das Abhören. Ein Elektronikladen in der Bronx verkaufte die Geräte für fünfhundert Dollar. Er hoffte, das Teil erfüllte seinen Zweck.
    »Zur Villa. Und zwar schnell«, sagte Mitrano im Befehlston zu Aldo. Der etwa dreißigjährige Muskelberg folgte ihm überall hin, außer auf die Toilette und ins Bett, doch auch die überprüfte er vorher.
    Die beiden Männer verließen im Laufschritt Mitranos Büro in der City von Pest, gingen auf die Nádor

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