Finnisches Requiem
utca und stiegen ins Auto. Aldo gab Gas, und der Cadillac Livery Sedan fuhr in Richtung Erzsébet híd, um die Donau zu überqueren.
Mitrano streckte seine Beine auf dem Rücksitz aus und nahm sich aus der Minibar eine Cola light. Ein Gespräch mit Guido Padovani glich dem Umschichten eines Misthaufens. Man mußte es von Zeit zu Zeit tun, wenn es einen auch noch so sehr anwiderte. Der italienische Kommissar war eine unangenehme Erscheinung, aber eine lebenswichtige Informationsquelle innerhalb der Kommission. Mitrano wußte immer noch nicht, warum der Italiener Geld anhäufte wie ein Eichhörnchen. Nach seinen Erkenntnissen hatte Padovani noch nicht einen Cent von den Millionen, die er ihm zahlte, ausgegeben.
Mitrano schaute nervös auf die Uhr, in Kopenhagen mußte es jeden Augenblick knallen. Horvát, dieser Scheißkerl, würde bekommen, was er verdiente. Wie zum Teufel konnte dieser arme Irre von Pest ihn so total unterschätzen? Das brachte ihn immer noch in Rage. Horvát wußte, daß er riesige Geldmengen gerade deshalb in Ungarn investiert hatte, weil das Land der Europäischen Union beitreten würde. Und dennoch versuchte dieser Idiot den Beitritt Ungarns zu verhindern. Dank Kommissar Padovani erfuhr Mitrano sofort von dem Material, das Horvát der Kommission zugespielt hatte.
Horváts Versuch, den Beitritt Ungarns zur Union zu erschweren, war gelungen. Der Präsident der Kommission hatte im Juli inoffiziell bei den Kommissaren angefragt, ob sie das Material für so schwerwiegend hielten, daß die Behandlung des ungarischen Mitgliedsantrages unterbrochen werden sollte. Fünf Kommissare wollten den Antrag zurückstellen, bis die von Horvát gelieferten Beweise untersuchtwaren und der ungarische Staat alle zutage getretenen Mißstände beseitigt hatte. Der Kommissionspräsident beschloß, zusätzliche Untersuchungen zu verlangen.
Anfangs hatten die von Mitrano bestochenen ungarischen Behörden alles getan, um nachzuweisen, daß Horváts Behauptungen falsch waren. Das genügte jedoch nicht: Die Kommission setzte ihre Untersuchungen fort. Mitrano konnte jedoch nicht die Hände in die Taschen stecken und untätig abwarten, was passieren würde. Die Kommission war für die Beitrittsverhandlungen mit Ungarn verantwortlich, in denen entschieden wurde, unter welchen Bedingungen und nach welchem Zeitplan Ungarn Mitglied der Union werden würde. Er war gezwungen gewesen sicherzustellen, daß die Kommission die Behandlung des ungarischen Beitrittsantrags nicht auf Eis legte oder verschob. Mitrano erfuhr von Padovani, welche fünf Kommissare forderten, den Antrag zurückzustellen. Bei zwei Kommissaren war es leicht, sie durch Erpressung zu einer Änderung ihrer Meinung zu bewegen: Der eine mochte kleine Jungs und der andere weißes Pulver.
Übrig blieben drei Kommissare: Reinhart, Sundström und van den Brink. Mitrano wollte gar nicht erst versuchen, sie zu bestechen, möglicherweise hätten sie den Versuch enthüllt. Diese drei Kommissare mußten sterben.
Durch die Morde an den Kommissaren wurde gewährleistet, daß die Kommission die Verhandlungen mit Ungarn weiterführte und schließlich den Vorschlag unterbreitete, dem Beitrittsantrag des Landes mit günstigen Bedingungen und nach dem vorgesehenen Zeitplan zuzustimmen. Der Vorschlag der Kommission war in der Praxis identisch mit der Haltung der Union.
Das Timing für die Morde war genau überlegt. Die Kommission würde am 1. Oktober über die Unterbrechung oder Weiterführung der Beitrittsverhandlungen mit Ungarnentscheiden, das war am nächsten Dienstag. Die Morde mußten vorher ausgeführt werden. Der Zeitplan war eingehalten worden. Bisher hatte man nur den Posten eines ermordeten Kommissars wieder besetzt: Der neue belgische Kommissar unterstützte jedoch einen schnellen Beitritt Ungarns, genau wie es Padovani versprochen hatte.
Der Cadillac erreichte das Villenviertel von Buda, fuhr bergan in Richtung Gipfel des Gellértberges und kurvte dann vor eine riesige Villa. Die stabilen Eisentore öffneten sich quietschend, und das Schnattern von Gänsen drang durch die Autofenster. Gänse gehörten zu den effektivsten Alarmanlagen der Welt. Die Vögel schnatterten sofort, wenn sie etwas sahen oder hörten. Schon in den großen Zeiten des alten Ägypten wurden sie als Wachtiere benutzt. Andere Wachen gab es außerhalb von Mitranos Villa nicht. Die Fenster aus Panzerglas und die achtzehn Überwachungskameras im Garten und im Innern des Hauses genügten. Im
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