Finnisches Roulette
durfte jetzt nichts überstürzen. Das Kommando könnte verhindern, daß Konrad Forster und seine polnischen Helfer Eero Ojala in dem Veroneser Krankenhaus besuchten. Ojala durfte seine Aktien nicht verkaufen, er durfte nur sterben.
Der Oberst zog mit dem Kamm den Scheitel seiner Militärfrisur schnurgerade und trocknete die pitschnassen Haare auf seinen Unterarmen am Handtuch ab. Die Eroberung von H & S Pharma durfte auf keinen Fall mißlingen. Er wollte die Firma seinem Sohn Ehud als verspätetes Hochzeitsgeschenk überreichen, danach müßte der die Arbeit seines Vaters wenigstens ein bißchen mehr schätzen. Vielleicht würde Ehud endlich aufhören, gegen ihn zu rebellieren, und ihr Verhältnis käme wieder in Ordnung.
Es war Zeit, Dan Goldstein anzurufen.
Das Wasser im Whirlpool klatschte im Rhythmus der zwei nackten Körper, deren Bewegungen immer heftiger wurden,bis sich Shari Jacobson aufbäumte und das Plätschern des Wassers vom genußvollen Stöhnen übertönt wurde. Shari begrub Dan Goldsteins Kopf zwischen ihren Brüsten, atmete schwer und rollte sich dann lachend von ihm herunter.
Die Morgensonne schien auf die große Terrasse der Penthousewohnung in der sechsten Etage. Goldstein war nicht in romantischer Stimmung, er beklagte seiner Freundin gegenüber, daß der Verkehrslärm, der von der Francis-Scott-Key-Brücke herüberdrang, die perfekte Atmosphäre des Uferboulevards im vornehmen Washingtoner Stadtviertel Georgetown verdarb. Goldstein hatte das Haus am Ufer des Potomac-Flusses bauen lassen und nutzte die oberste Etage selbst, weil er den Blick auf das Wasser liebte.
Washington mochte er nicht, er hatte ständig Sehnsucht nach seinem Zuhause, nach Tel Aviv. Ende der siebziger Jahre war er von Israel in die USA gezogen, nur um in das Herz der Weltpolitik zu gelangen, an den Ort, wo das Schicksal Israels letztendlich entschieden wurde. Mit geliehenem Geld kaufte er in Washington, D.C., und Umgebung Grundstücke und Immobilien in schlechtem Zustand, ließ darauf billige Industrie-, Lager- und Wohngebäude errichten und verkaufte die dann mit irren Gewinnen. Nachdem er in einem Jahrzehnt ein gewaltiges Vermögen angehäuft hatte, verschaffte er sich Zugang zum Kern der Weltmacht, indem er freigebig in die Wahlkassen der Republikaner spendete. Heute spielte er Golf mit dem Präsidenten, ging mit dem Außenminister fischen und lieh dem Verteidigungsminister oft eines seiner Segelboote aus. Auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt nahm Dan Goldstein Platz 86 ein. Shari Jacobson, die Haupteigentümerin eines riesigen New Yorker Medienunternehmens, rangierte in der Liste der reichsten Frauen auf Platz 9.
Neben dem Whirlpool klingelte das Telefon. Goldstein nahm ab und hörte Saul Agrons kräftige Stimme. DerOberst gab Goldstein einen kurzen, aber genauen Bericht über den Fehlschlag in Verona und seine vorgesehenen weiteren Maßnahmen.
Goldstein wußte nicht, ob er den Oberst ermutigen oder beschimpfen sollte. »Du weißt, was zu tun ist«, sagte er schließlich und beendete das Gespräch. Agrons Mißerfolge verwunderten ihn, aber er vertraute seinem ehemaligen Waffengefährten immer noch. Niemand war für die Eroberung von H & S Pharma besser geeignet als der israelische Kriegsheld, dessen Sohn bei Genefab arbeitete. Goldstein glaubte den Oberst ausreichend motiviert zu haben, er hatte Agron versprochen, ihn mit einem beträchtlichen Anteil an den Aktien von Genefab und seinen Sohn mit dem Posten des Geschäftsführers zu belohnen.
»Schlechte Nachrichten?« Shari Jacobson drehte träge ihren Kopf.
»Werner Halberstams Tod hat alles durcheinandergebracht«, knurrte Goldstein. »Wenn Werner noch leben würde, genügte eine Bitte, und schon bekäme ich die Genkarten.« Und das war so gemeint, wie er es gesagt hatte. Goldstein hatte Werner Halberstam angeworben, als er Mitte der siebziger Jahre beim israelischen Nachrichtendienst Mossad arbeitete.
Goldstein fand, daß er nun lange genug im Wasser gelegen hatte. Er stieg aus dem Pool, wand sich ein Handtuch um die Hüften und ging in das weiträumige Schlafzimmer. Es wurde von einem drei Meter breiten Bett und einem Marmorkamin beherrscht, auf dessen Rand ein siebenarmiger Kerzenständer stand – die Menora der Familie Goldsteins, ein Erbstück. Die dominierende Farbe in dem Raum war Weiß, die Farbe der reinen Gedanken.
Das Handtuch fiel zu Boden, und Goldstein betrachtete im Spiegel seine schwarzen Locken und seinen guterhaltenen
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