Finnisches Roulette
mußten nun im Stellungskrieg verharren.
Als energisch an die Tür geklopft wurde, warf Magadla sein HIV-Medikament rasch in die Schublade des Nachttischs, deckte sich zu und sagte auf englisch: »Herein.«
»Wie geht es Ihnen?« rief die Wirtin der »Zwölf Apostel« schon an der Tür fröhlich. Als sie den kahlgeschorenen und genähten Scheitel ihres Gastes sah, redete sie noch schneller und aufgeregter. Magadla lächelte unsicher, er hatte nicht die geringste Ahnung, was ihm die deutsche Frau da erzählte. Aus irgendeinem Grund behandelte ihn die äußerst vitale Wirtin wie einen Staatsgast und besuchte ihn dann und wann auf ein Schwätzchen. Die gemütliche Atmosphäre des Motels gefiel Magadla. Das einzige Problem war die etwas einseitige Speisekarte: Sauerkraut mit Kaßler, Sauerkraut mit Bratwurst, Sauerkraut mit Schäufelchen, Sauerkraut mit Haspel …
Die Wirtin rückte das verrutschte Handtuch auf Magadlas schwarzer Stirn zurecht und wollte das Tablett mit dem duftenden Mittagessen nehmen, das auf dem Nachttisch stand, doch ihr fiel plötzlich noch etwas ein. Sie ging zumFenster und zog die Gardinen auf. Das Sonnenlicht überflutete das Zimmer. Dann entfernte sich die Wirtin mit dem Tablett und murmelte dabei bedauernd etwas vor sich hin.
Der gestrige Zwischenfall in der Bar ärgerte Magadla noch mehr, als er sah, was für ein schöner Sommertag das war. Er zwang sich, wieder an Nelsons Plan zu denken. Die Sache mußte in Ordnung gebracht werden, bevor Ojala zu Bewußtsein kam. Er würde Kontakt zu Laura Rossi aufnehmen. Sie mußte ihren Bruder dazu überreden, daß er sich weigerte, die Aktien an Anna Halberstam zu verkaufen. Seiner Schwester würde Ojala glauben, weil Laura Rossi schon wußte, zu welcher Brutalität Anna fähig war. Einem wildfremden Südafrikaner würde Ojala vielleicht nicht vertrauen.
Magadla drehte das warm gewordene Handtuch um und fluchte, weil er sich so mies fühlte. Die Verantwortung lastete schwer auf ihm. Wenn die Eroberung von H & S Pharma und die Beschaffung der Aids- und Malariamedikamente mißlangen, dann glaubte möglicherweise der radikale Flügel von »African Power«, seine Gelegenheit sei gekommen. Die Radikalen wollten nicht nur die Medikamente, die Entschuldung der Entwicklungsländer und die Erhöhung der von den westlichen Ländern gewährten Entwicklungshilfe. Sie wollten sich an den Industriestaaten für die jahrhundertelange Ausbeutung Afrikas rächen. Um ihre Ziele zu erreichen, war den Radikalen jedes Mittel recht, und Magadla fürchtete, daß sich ihr Haß über kurz oder lang in sinnloser Gewalt entladen würde. Die letzten Jahre hatten gezeigt, wozu extreme Kräfte fähig waren, die jahrelang unter der Unterdrückung gelitten hatten und blind an die Berechtigung ihrer Sache glaubten.
Der gemäßigte Flügel von »African Power«, den Nelson und Magadla vertraten, wollte friedlich vorankommen, Schritt für Schritt. Gerechtfertigte Forderungen würden mitder Zeit erfüllt werden, das Beispiel großer Männer wie Mandela hatte das bewiesen. Laura Rossi könnte, ohne es zu wissen, gegen den Terrorismus kämpfen, überlegte Magadla und griff zum Telefon.
Laura war gerade aus Kraków zurückgekehrt und saß im Taxi, das die Tuusulanväylä entlangfuhr. Statt an ihren Nägeln knabberte sie an einem Schokoriegel, und dabei hörte sie sich die Radionachrichten an. Ihr Telefon klingelte. Sie schwenkte ihre Rastalocken aus dem Gesicht, drückte das Handy gegen ihr Ohr und hörte eine ruhige Männerstimme.
»Ich bin ein Freund, dank meiner Hilfe wurde in Kraków Ihr Leben gerettet. Können Sie sprechen?«
Angst durchfuhr sie. War dieser Alptraum immer noch nicht zu Ende? »Wer sind Sie? Wer hat versucht mich …«, stammelte Laura.
»Bitte hören Sie mir zu. Ihr Bruder ist in Lebensgefahr. Wir brauchen Ihre Hilfe«, sagte Magadla in eindringlichem Ton.
Es dauerte eine Weile, ehe Laura begriff, was sie da gehört hatte. »Das kann doch nicht wahr sein. Mir wird das jetzt zuviel. Ist auch Eero beteiligt? Ich will wissen …« Laura bemerkte die neugierigen Blicke des Taxifahrers im Rückspiegel.
»Ihr Bruder hat heute eine oberflächliche Schußwunde und eine schwere Gehirnerschütterung erlitten. Er liegt bewußtlos in einem Krankenhaus in Verona.« Magadla wartete auf eine Reaktion Lauras, hörte sie aber nur schwer atmen.
Er berichtete Laura in geraffter Form von Anna Halberstams Plan zur Beschaffung der Aktienmehrheit in H & S Pharma sowie von der
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