Finnisches Roulette
Krankheit der Frau und ihren Phantasien zur Verlängerung der Lebensdauer. Laura hörte schweigend zu.
»Ihr Bruder befindet sich in akuter Lebensgefahr, solange er in der Lage ist, Anna Halberstam seine Aktien zu übergeben, aber wir können Ihrem Bruder helfen. Wenn er sich von seinen Aktien trennt, ist niemand mehr daran interessiert, ihn umzubringen.« Magadlas Juristen hatten eine Idee gehabt, wie Eero seine Aktien jemand anderem als seinen einzigen Verwandten Anna oder Laura überlassen könnte. Es mußte eine unwiderrufliche Schenkungsurkunde mit einer Gültigkeit von beispielsweise fünf Jahren aufgesetzt werden, in der sich Eero verpflichtete, die Aktien seinem leiblichen künftigen Kind zu schenken. Wenn innerhalb von fünf Jahren kein Kind geboren wurde, wäre die Schenkungsurkunde hinfällig.
Jetzt kam Leben in Laura, sie wollte sich vergewissern, daß sie Magadlas Erklärung verstanden hatte, und stellte schnell eine ganze Reihe von Fragen. Die Wohnhäuser von Käpylä huschten vorbei, als das Taxi die Mäkelänkatu entlangraste.
Magadla antwortete auf alles, bis die Flut ihrer Fragen versiegte. »Sie müssen nach Verona fliegen und vor Ort sein. Wenn es Ihnen nicht gelingt, Ihren Bruder zu überzeugen, wird er umgebracht, sobald er das Krankenhaus verläßt.«
Laura war immer noch völlig überrascht und verwirrt. Sie dachte nach, so gut das in diesem Zustand ging. »Ich verstehe das nicht. Wenn Sie Eero schützen wollen, wer versucht dann ihn umzubringen? Und wer wollte mich in Kraków töten?« Jetzt drehte der Taxifahrer den Kopf und schaute nach hinten zu Laura.
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Je weniger Sie wissen, um so mehr sind Sie in Sicherheit.«
»Welchen Nutzen bringt Ihnen das? Wer sind Sie?« fragte Laura nach. Das alles schien keinen Sinn zu geben.
»Ich bin dein Freund. Die Motive für mein Handeln sind positiv, ich will von H & S Pharma nur die Rechte an den HIV-, Aids- und Malariamedikamenten. Sie werden Hunderttausende,vielleicht sogar Millionen Menschenleben retten«, sagte Magadla ganz ruhig. Dann gab er Laura Anweisungen für die Reise nach Verona und beendete das Gespräch.
Laura wurde von Skepsis erfaßt. Als das Taxi am Schwimmzentrum von Mäkelänrinne vorbeifuhr, schloß sie die Augen und stellte sich vor, in absolute Stille und Sicherheit einzutauchen. Das beruhigte sie wie die Novellen von Torgny Lindgren. Gerade als sie geglaubt hatte, der Alptraum sei vorbei, begann er von neuem. Nun schwebte Eero in höchster Gefahr. Aids, Malaria, Sami, Eero, Anna Halberstam … Worum ging es bei alldem? Die Freude über Samis bevorstehende Freilassung wurde durch die Sorge um Eero getrübt.
Ihr kleiner Bruder war schon in jungen Jahren introvertiert und empfindsam gewesen, deswegen hatte die Mutter von ihr verlangt, daß sie auf den Bruder aufpaßte. Plötzlich tauchte aus ihrem Gedächtnis das Bild von Eero auf, der vor einem Wutanfall der Mutter unter den Küchentisch floh, und sie erinnerte sich, wie sie den Haß der Mutter aufgefangen hatte, um ihren Bruder zu schützen. Ihn hatte die Mutter nie geschlagen.
Laura und Eero waren als Kinder unzertrennlich gewesen, aber in den Teenagerjahren auseinandergedriftet. Dann verließen sie beide ihr Zuhause, und der Kontakt brach fast völlig ab, als Eero sich zurückzog. Heutzutage war der Bruder ein Einsiedler, der für die Kunst lebte und zu niemandem Verbindung hielt. Laura hatte Sehnsucht nach ihm.
Der Haß, der sich für eine Weile versteckt gehalten hatte, loderte wieder auf. Anna hatte Berninger ermorden lassen und die Tat so inszeniert, daß Sami als Mörder galt, und um ein Haar hätte sie auch Laura und Eero auf dem Gewissen gehabt. Glaubte Anna wirklich, sie könne all das ohne Folgen überstehen?
Als das Taxi schon auf die Sörnäisten rantatie einbog, fiel Laura ein, wohin sie eigentlich fuhr. Sie mußte sich schnell entscheiden, was sie der Sicherheitspolizei erzählen sollte. Die Qual hatte noch kein Ende. Nur eine Sache war im Lot – bald würde sie Sami treffen.
24
»… und der Befehl lautet schlicht und einfach: Bringt diesen Ojala um, egal wie!« brüllte Oberst Agron wutentbrannt und knallte den Hörer hin. Er saß im Main-Tower in Frankfurt und hatte soeben vom Chef seines Kommandos erfahren, daß die Aktion in Verona mißlungen war.
In der Toilette seines Arbeitszimmers beugte sich der Oberst über das Waschbecken, ließ kaltes Wasser über sein Gesicht laufen und versuchte sich zu beruhigen. Er
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