Finnisches Roulette
stimmte also. Vor der Hausnummer 4 sah er ein Schild der Galleria dello Scudo und spürte, wie sein Herz hämmerte. Er blieb stehen und atmete tief durch. Dr. Cavanna hatte einen Schjerfbeck-Fachmannzu sich gebeten, keinen vor Aufregung zitternden Käufer, er mußte sich professionell verhalten. Einen Tausch des »Mädchens auf dem Sofa« gegen die Aktien würde er erst ansprechen, wenn er die Echtheit des Gemäldes geprüft und eine ehrliche Schätzung des Preises abgegeben hatte.
Ein paar Meter vor dem Eingang der Galerie hörte Ojala ganz in seiner Nähe einen Pfiff. Dann erklang ein Ruf in einer ihm unbekannten Sprache, und plötzlich tauchten etliche Männer mit Bürstenhaarschnitt in grünen Bomberjacken vor ihm auf. Was, um Himmels willen, sollte das bedeuten? Die Blicke der Männer waren auf etwas gerichtet, das sich hinter ihm befand. Er drehte sich um und sah in zehn Metern Entfernung eine Gruppe arabisch aussehender Männer in langen Popelinemänteln. Jeder von ihnen hielt eine Waffe in der Hand. War er mitten in einen Zusammenstoß von Kriminellen geraten? Angst ergriff ihn. Im selben Augenblick erschütterte ein höllischer Lärm seine Trommelfelle, überall ringsum heulten die Alarmanlagen der Autos.
Ojala begriff, daß er genau in der Feuerlinie zwischen zwei bewaffneten Banden stand, er machte einen Schritt zum Eingang der Galerie und zerrte an der Klinke. Geschlossen. Das Blut schoß ihm in den Kopf, und er spürte seinen Herzschlag in der Mundhöhle. In seiner Angst drückte er auf alle Klingelknöpfe, wandte den Kopf und sah, wie einer der Männer in grüner Bomberjacke auf ihn zu rannte. Ein Schuß krachte. Der Schmerz traf ihn an der Schulter wie ein Bajonett, Ojala schrie auf. Die Angst wurde zur Panik, als nun mit etlichen Waffen geschossen wurde, ein Konzert, das sich mit dem Heulen der Alarmanlagen vermischte.
Er fiel auf die Knie und begriff, daß er blutete, im gleichen Moment sank der Mann in der grünen Bomberjacke auf ihn nieder. Schüsse knallten, und Kugeln prasselten an die Hauswände. Vor Entsetzen entfuhr Ojala ein schrillerSchrei, dann ging ihm die Luft aus. Die Schulter brannte wie Feuer, er tastete mit der Hand nach der schmerzenden Stelle und spürte das warme Blut. Die Angst lähmte den Atem, und er zitterte.
Die tätowierte Fünf auf dem Handrücken des Mannes, der ganz in der Nähe feuerte, prägte sich Ojala ein. Dann drehte er den Kopf, sah den Mann mit dem Bürstenhaarschnitt, der kein Gesicht mehr hatte, und übergab sich. In dem Moment traf ihn etwas am Kopf, der Schmerz durchschnitt seinen Körper wie das Sägeblatt einer Kreissäge, und der Lärm verstummte allmählich.
23
Homer Simpsons Augen glänzten vor Gier nach einem Riesendonut, mit den mechanischen Greifwerkzeugen schob er den Brezelring gerade in den Kern des Atomreaktors, als Masilo Magadla den Fernseher ausschaltete. Er hielt sich die Schläfen, schlurfte in das kleine Badezimmer, tauchte ein Handtuch kurz in eiskaltes Wasser, legte es auf seine Stirn und ging mühsam zurück ins Bett. Am Morgen hatte er gegen den Willen des Arztes das Bürgerhospital verlassen und wohnte nun im Motel »Die zwölf Apostel« in der Frankfurter Innenstadt.
Sein Kopf schmerzte, die Stiche juckten, und Nelsons Strafpredigt eben am Telefon klang ihm noch in den Ohren. Er hatte einen mächtigen Anpfiff bekommen, obwohl die Schuld an Eero Ojalas Verwundung in Verona bei Wim de Langes Sicherungsgruppe lag. Magadla selbst machte de Lange jedoch keine Vorwürfe: Wer zum Teufel konnte ahnen, daß der Finne sich plötzlich entschied, mit dem Zug und nicht mit dem Flugzeug nach Verona zu reisen. Immerhin hatte die Sicherungsgruppe begriffen, daß sie blitzschnellzur Galleria dello Scudo fahren mußte, als Ojala nicht aus der Maschine auftauchte. Es war eine pfiffige Idee gewesen, die Alarmanlagen aller Autos in der Umgebung mit einem elektronischen Signal auszulösen, dadurch traf die Polizei rascher als gewöhnlich ein.
Magadla fand es auch verwunderlich, daß Nelson die Operation nicht abblasen wollte, obgleich einer der Männer de Langes in Verona umgekommen war. Noch vor einem Monat hatte Nelson verkündet, er sei fest entschlossen, nur ein Todesopfer zu akzeptieren, Dietmar Berninger. Eero Ojalas Verwundung machte die Situation komplizierter, nun würde das Spiel ganz anders verlaufen. Ojala lag im Krankenhaus wie ein Soldat im Niemandsland, zwischen zwei Frontlinien. Oberst Agrons Kommando und de Langes Sicherungsgruppe
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