Finnisches Roulette
aberihre Nerven trotz der schrecklichen Erlebnisse gut unter Kontrolle.
»Wir haben einiges zu besprechen, also fangen wir am besten gleich an. Ich bin Arto Ratamo, der Leiter dieser Ermittlungen, und mit der Ermittlerin Saara Lukkari haben Sie ja schon telefoniert.« Ratamo bedeutete Laura Rossi, Platz zu nehmen, und betrachtete die Rastalocken der Frau, ihre nachlässige Kleidung und das ungeschminkte Gesicht. Das war genau der Frauentyp, in den er sich immer verknallte, überlegte Ratamo und begriff, daß seine Gedanken abschweiften. »Es stört Sie doch nicht, wenn wir das Gespräch aufzeichnen?« sagte er und schaltete den Rekorder ein, da Laura Rossi nichts einzuwenden hatte.
»Was haben Sie in Kraków gemacht?« begann Ratamo.
Die Polizisten stellten Fragen, und Laura erzählte von den aufgezeichneten Bildern und dem Mordversuch, von ihren Beschützern und Jerzy Milewics, von den H&S-Pharma-Aktien und Anna Halberstam. Sie spürte, wie der Druck in ihrem Kopf allmählich nachließ. Es war ein wunderbares Gefühl, das alles zwei Menschen erzählen zu können, die zuverlässig wirkten, finnisch sprachen und helfen wollten. Die beiden SUPO-Mitarbeiter machten einen professionellen Eindruck, sie waren bestimmt in der Lage, alles zu klären. »Milewics hat übrigens mit seinem Helfer englisch gesprochen, obwohl der Polnisch konnte. Das kam mir seltsam vor«, sagte Laura zum Schluß.
Rasch schrieb Saara Lukkari irgend etwas in ihr Notizbuch und fragte dann: »Warum hat Ihre Tante Sie nicht einfach gebeten, ihr die Aktien zu verkaufen?«
Laura schnaufte. »Das ist eine lange Geschichte. Sagen wir mal so: Anna weiß, daß ich nicht einmal bereit wäre, mit ihr zu reden.« Laura starrte auf ihre Schuhspitzen.
»Die Geschichte müssen Sie uns nun aber doch erzählen«, sagte Ratamo, und so erfuhren die beiden Ermittlervon der Familientragödie, die Anna Halberstam vor langer Zeit verursacht hatte.
Saara Lukkari sah, daß es Ratamo unangenehm war, als die Frau ihre schlimmen Erinnerungen hervorholte, deswegen wechselte sie das Thema, sobald Laura fertig war: »Sie haben also die CD von diesem … Milewics erhalten?«
Laura holte die CD schnell aus ihrer Handtasche, und Saara Lukkari schob sie in den Computer, der in einer Ecke des Raumes vor sich hin surrte.
Die drei setzten sich vor den Bildschirm und verfolgten konzentriert die Ereignisse in dem Aufzug. Keiner sagte ein Wort, aber alle erstarrten, als sie sahen, wie Dietmar Berningers Leben endete.
»Sami wird doch wohl nun freigelassen?« fragte Laura sofort nach dem Ende der Aufzeichnung.
»Die CD muß analysiert werden, wer weiß, vielleicht ist sie getürkt. Wenn die aufgezeichneten Bilder echt sind, kann Ihr Mann zumindest nicht für den Tod Berningers angeklagt werden«, sagte Ratamo und sah das erstemal bei Laura Rossi ein Lächeln. Es war so ansteckend wie ein Gähnen.
»Möglicherweise weiß ich, was mit alldem beabsichtigt wird.« Laura erzählte von dem Anruf des »Freundes« vor einer Stunde, von den Aids- und Malariamedikamenten, von Annas Plan und der Lebensgefahr, in der Eero schwebte, und dem Vorschlag des »Freundes«.
»Wir wissen, daß Ihr Bruder verletzt ist. Die italienische Polizei wartet darauf, daß er wieder zu Bewußtsein kommt«, sagte Ratamo. Dann bombardierten die beiden SUPO-Mitarbeiter Laura Rossi mit detaillierten Fragen, aber zu ihrer Überraschung wußte die Frau nicht viel, so daß die Flut der Fragen schnell versiegte.
Es herrschte Schweigen, das jedoch von Laura schon bald durchbrochen wurde. »Ich will verhindern, daß Eero seine Aktien übergibt. Den Flug morgen früh über Mailand nachVerona habe ich schon gebucht, vielleicht bin ich rechtzeitig dort, bevor mein Bruder wieder zu Bewußtsein kommt.« Laura kaute am Nagel ihres kleinen Fingers.
»Am klügsten wäre es wohl, wenn Sie sich das noch einmal überlegen. Es ist besser, derartige Dinge der Polizei zu überlassen, das werden Sie ja sicher schon bemerkt haben. Gehen Sie nach Hause, und kommen Sie zur Ruhe. Wir melden uns heute später noch einmal bei Ihnen«, sagte Ratamo, um den leidgeprüften Gast zu beruhigen.
»Wir besprechen diese Sache hier und rufen Sie dann an«, fügte Saara Lukkari sofort hinzu. Danach fiel ihr aber noch etwas ein. »Ich vergaß, Sie zu fragen, ob Sie noch mit Juha Hautala zu tun haben.«
Laura war überrascht. »Haben Sie auch mein Vorleben überprüft?« Sie wartete einen Augenblick auf eine Antwort, die allerdings ausblieb.
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