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Finns Welt - 01 - Finn released

Finns Welt - 01 - Finn released

Titel: Finns Welt - 01 - Finn released Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Gregorius hebt die Hand, was meine Mutter nur lauter macht. »Es ist Ihr Job, beim Ankauf und Verkauf von Waren wie auf dem Basar zu verhandeln. Das ist Ihr Beruf.«
    »Aber Frau Anders …«
    »Und wenn mein …«
    »Aber Frau Anders …«
    »Halten Sie die Klappe!«
    Herr Gregorius hält die Klappe.
    »Und wenn mein dreizehnjähriger Sohn es schafft, Ihnen mit einer geflunkerten Geschichte 8 Euro mehr abzuknöpfen, dann frage ich mich doch, wo Sie Ihren Beruf gelernt haben.«
    »Das ist ja wohl die Höhe!«, ruft Herr Gregorius aufgebracht.
    »Nein, das ist die Tiefe!«, sagt meine Mutter und hält nun ihre flache Hand ungefähr auf Kniehöhe. »So tief sinken Sie, Herr Gregorius, wenn Sie tatsächlich einem Kind nachstellen, das Sie beim Handeln auf dem Basar besiegen konnte.« Gregorius will noch was sagen, aber meine Mutter schließt bereits langsam die Tür. Bevor sie ganz in den Rahmen klackt, schiebt sie noch hinterher: »Und wenn Sie es noch mal wagen, mein Kind zu belästigen, dann gehe ich zur Polizei und behaupte, dass Sie in Ihrem kleinen Trödelladen heimlich verbotene Filme verkaufen, und dann wollen wir mal sehen, wie die jeden Teppich hochheben!«
    Klack.
    Die Tür ist zu.
    Wow. Meine Mama.
    Ich trete aus der Küche hervor in den Flur und strahle. »Das war ja so cool, Mama!« Sie freut sich allerdings nicht über mein Lob, denn sie packt mich an den Schultern, dieses Mal nicht tröstend, sondern wie in einem Schraubstock, und sieht mir so fest in die Augen, dass ich den Blick nicht abwenden kann. Ihre Pupillen sind jetzt überall, wo ich mich auch hindrehe. Ringsum Mutterpupillen, die ganze Welt eine einzige Mahnung. Der Mund zu den Pupillen sagt: »Wenn du noch jemals wieder einem Menschen eine Lügengeschichte über einen schlimmen Unfall mit einem kleinen Mädchen erzählst, um 8 Euro mehr für eine Trödelware zu kriegen, dann schicke ich dich auf ein kirchliches Internat irgendwo tief in den bayerischen Bergen, wo das Lügen noch als Todsünde vor Gott gilt.« Ich versuche immer noch, den Pupillen auszuweichen, aber sie sind immer schon dort, wo meine gerade hinflüchten wollen.
    »Es war doch für einen guten Zweck«, jammere ich. Boah, ist das beschissen! Draußen habe ich die Erwachsenen mit meinen Geschichten in der Hand, aber wenn meine Eltern sauer werden, fange ich das Jammern an.
    »Der Zweck heiligt aber nicht die Mittel«, sagt meine Mutter. »Verstehst du das, Finn?«
    »Ja«, murmle ich halbherzig.
    »Ein Internat«, wiederholt meine Mutter, »weit weg von Lukas und Flo.«
    »Ja, doch!«, sage ich.
    »Was ist denn DAS???«, ruft mein Vater aus dem Wohnzimmer, der von dem Streit mit meiner Mama gar nichts mitbekommen hat, da der Fernseher an ist. Er klingt so, als würde gerade ein Nachrichtensprecher verkünden, dass Außerirdische gelandet sind. Meine Mutter und ich gehen ins Wohnzimmer. Mein Vater zeigt auf den Bildschirm. Im Fernsehen erzählt ein Sprecher etwas vom Schicksal eines Jungen, dessen Mutter immer wieder die Männer aus dem Haus wirft. Es wird Musik eingespielt und der Sprecher sagt: »Die Eltern wissen nicht, mit welch lebensgefährlichen Aktionen ihre Söhne den Samstag verbringen. Ohne Rücksicht auf Hindernisse durchstreifen sie das Land, laufen dabei immer geradeaus, brechen in Häuser ein, überqueren Bahnschienen und Wellpappdächer. Sie nennen dieses Spiel Querfeldein, und um zu gewinnen, ist ihnen jedes Mittel recht.« Nun sieht man die Wackelbilder von unserer Flucht nach der Tunneldurchquerung.
    Mein Handy klingelt. Lukas ist dran.
    »Siehst du auch, was ich sehe?«
    »Ja …«, hauche ich.
    Das Festnetztelefon klingelt. Meine Mama geht ran. Am anderen Ende spricht Flos Mutter. »Ja, Frau Hertl«, sagt sie, »wir sehen es auch gerade.« Im Fernsehen klettert Lukas nackt aus dem Pool, während ich auf die überraschte Frau einrede. Ich habe schon mein Handtuch um, bei Lukas haben sie den Pimmel mit einem Raster überdeckt. Seine Bauchmuskeln kommen aber gut zur Geltung.
    »Ich fasse es nicht!«, ruft mein Vater. Als die Szene kommt, wie ich einem bellenden Kampfhund vom Planwagen aus rohes Fleisch zuwerfe, schreit meine Mutter auf. Als der Bericht zu Ende geht, ist es im Wohnzimmer totenstill.
    Ich zeige auf den Fernseher und schon verlässt eine neue Lüge meine Lippen. »Wir haben dem Typen niemals erlaubt, dass das gesendet wird!«
    Mein Vater sieht mich an wie der Polizist neulich auf der Wache. Jetzt sind auch Vaterpupillen überall, unausweichlich.

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