Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Finster

Titel: Finster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
ab, dann kramte sie in ihren Kleidern. Nach einer Weile sah sie zu
mir auf. »Einen Schlüpfer hast du wohl nicht gefunden, oder?«
    »Der scheint verschwunden zu sein.«
    »Ah, super.«
    »Tut mir leid.«
    »Also hat einer dieser … Trolle … ihn mitgenommen?«
    »Nicht unbedingt. Vielleicht habe ich ihn übersehen.«
    »Hoffentlich«, sagte sie. »Ich hasse die Vorstellung, dass …« Kopfschüttelnd stand sie auf und stieg in ihre Jeans. »Wir müssen verrückt gewesen sein«, murmelte sie, als sie die Hose zuknöpfte.
    »Ja.«
    Sie zog den Reißverschluss hoch und grinste mich an. »Obwohl, am Anfang war es nicht schlecht. Oder? Ich meine, bevor …?«
    »Ja, das war was.«
    »Ich hab noch nie …« Sie schüttelte wieder den Kopf. »Das war wirklich was.«
    »Allerdings.«
    Sie bückte sich nach ihrem Büstenhalter. »Willst du ihn anziehen?«
    »Ich glaub nicht.«
    »Ich auch nicht.« Sie stopfte den BH in ihre Handtasche, setzte sich hin und begann, ihre Schuhe anzuziehen.
    »Ist alles in Ordnung bei dir?«, fragte ich.
    »Ganz okay, insgesamt gesehen. Wir leben noch, stimmt’s? Und sind nicht zu übel verletzt. Es hätte viel schlimmer kommen können.«
    »Auf jeden Fall.«
    »Wozu ich jetzt wirklich Lust habe, ist, zu dir zu gehen,
schön heiß zu duschen und mich dann volllaufen zu lassen.«
    »Ich habe nur noch eine halbe Flasche Wein.«
    »Wir können auf dem Weg was besorgen.« Mit den Schuhen an den Füßen stand sie auf. »Du musst frieren«, sagte sie.
    »Nur ein bisschen.«
    »Mein armer Schatz.« Sie öffnete weit das Hemd, trat zu mir und legte die Arme um mich. Die Wärme ihres Körpers durchströmte meine kühle Haut. »Wie gefällt dir das?«
    »Nicht schlecht.«

22
    Oben auf der Böschung holten wir unsere Sachen unter der Parkbank hervor. Ich hängte mir meine Büchertasche wie einen kleinen Tornister über die Schultern und trug Eileens Bücher und Hefter vor der Brust. Dadurch fühlte ich mich nicht so nackt, und mir war auch weniger kalt.
    Im Schein einer Straßenlaterne stellte ich fest, dass mein Oberkörper zerkratzt und voller Blut war.
    Wegen ihres Bads im Fluss war an Eileen kein Blut zu sehen. Ihr Gesicht wirkte jedoch irgendwie lädiert. Das Haar war nass und strähnig.
    Um nicht von Sicherheitsleuten oder irgendjemandem, den wir kannten, gesehen zu werden, gingen wir außen um das Unigelände herum.
    Daher begegneten wir Rudy Kirkus.

    Ich kannte Kirkus seit meinem ersten Jahr an der Uni. Wir studierten beide Englisch im Hauptfach und hatten viele gemeinsame Seminare. Außerdem arbeiteten wir beide bei der Literaturzeitschrift der Uni, Der Aufschrei , mit . Er war ein selbstgefälliger Klugscheißer, der sich als eine Art Wunderkind auf dem Gebiet der Literatur und des guten Geschmacks betrachtete.
    Man konnte ihn schon aus der Ferne leicht erkennen. Er war knapp einsneunzig groß und dünn und ging wie ein Tambourmajor an der Spitze seines Spielmannszugs. Seine Uniform bestand aus einem Kordjackett mit Flicken an den Ellbogen, einem blauen Chambray-Hemd, Jeans, Mokassins und einer Krawatte. Er trug immer eine Seidenkrawatte.
    Wenn ich gesehen hätte, dass Kirkus uns entgegenkam, hätte ich Eileen in eine andere Richtung gelenkt. Und zwar schnell. Aber er kam bei der Bank an der Kreuzung zur Ivy Street einen Block südlich vom Campus um die Ecke.
    »Ach!«, sagte er und klopfte mir auf die Schulter. »Eduardo, altes Haus. Und Eileen. Wie steht’s?«
    Kirkus kam aus San Francisco, aber er bemühte sich um einen britischen Akzent und entsprechendes Benehmen. Wahrscheinlich hatte er sich den Großteil seines Auftretens aus den alten Sherlock-Holmes-Filmen mit Basil Rathbone und Nigel Bruce abgeguckt.
    »Wie geht’s, Kirkus?«, fragte ich.
    »Geht schon, geht schon.« Er nickte, verschränkte die Hände hinter dem Rücken und begann wie üblich, auf den Fußballen auf und ab zu wippen. Mit zur Seite geneigtem Kopf beäugte er meine Brust. »Ein bisschen frisch, alter
Knabe, um ohne Hemd durch die Straßen zu streunen, würd ich sagen.«
    »Probieren geht über Studieren«, erklärte ich ihm.
    Er legte seinen Kopf auf die andere Seite und betrachtete ihre Brust. Wenn ein anderer Typ so unverfroren darauf gestarrt hätte, wäre ich sauer geworden. Aber so war Kirkus eben. Ihre Brüste, die offensichtlich unter dem Hemd nicht von einem BH gehalten wurden, waren für ihn uninteressant … außer vielleicht als Gegenstand seiner Verachtung.
    »Interessant!«, rief er aus. »Du trägst

Weitere Kostenlose Bücher